Die Mutter der Reise (14.05.)

Die Mutter der Reise (14.05.)

Alleine verloren in Spanien anzukommen ist wie Sand essen. Interessant und vielschichtig, aber auch ungewohnt und unangenehm. Lernt Alicante an der Seite eines bislang einsamen Rucksackreisenden kennen und erlebt durch Worte was zu viel heiße Sonne mit sonst klar denkenden Köpfen anstellt.


14.05.2025 Die Ankunft in Alicante (9 Tage vor unserem mit euch geteilten Regen)

Unsere Idee eine solche Reise zu bestreiten kommt von lang her. Im August letzten Jahres verabredeten wir uns zu einer derartigen Aktion, dazu möchte gesagt sein, dass jenes Treffen das Zweite seiner Art war und dass Martin mir ansonsten eher fremd gewesen ist. Damals waren wir noch vom Jakobsweg in Spanien überzeugt, welcher sich aus preislichen Gründen und dem Fakt dass wir den Hauch der Religion soweit verpassten, als unpassend herausstellte. Unsere Reise hätte sich stark unterschieden, hätten wir den Jakobsweg bestritten, vor allem unter dem Aspekt des Sozialen… Einen Monat bevor es ernst wurde, sahen Martin und ich uns in einem Telefonat und beschlossen aus strategischen, geheimen Gründen, dass Alicante das bessere Anreiseziel wäre und dass Valencia ja auch ganz schön sein soll. Die tatsächliche Vorbereitung in Präsenz, was Tasche packen oder Route planen angeht, erfolgte am letzten Tage beziehungsweise gar nicht. So verbrachte ich den Tag vor der Abreise statt mit Packen viel lieber mit dem Backen zweier Brote - sehr gesund und sehr pfeffrig - und beschloss dann noch von meiner Mama eine kleine Nählektion zu erhalten. Ein essentieller Schritt in der Vorbereitung, denn die Tasche, welche für die Reise vorgesehen war, unterschied sich nicht von derjenigen, welche mich eine Weile zuvor für drei Wochen durch Norwegen beim Campen begleitete. Müsste ich zählen, so würde ich auf fünf gerissene Bänder slash Gurte kommen, zwei fehlende Hartplastikstücke finden und 2 angerissene Taschenfächer erhalten. Hätte ich gewusst was noch auf mich zukommen sollte, wäre ich mit dieser Zahl sehr zufrieden gewesen. Ich würde genügend Schnüre und Zurrgurte dabei haben, um aus diesem Rucksack ein Knotenkunstwerk zu zaubern und einen Akt des Recyclings zu tätigen. Im Generellen kann empfohlen werden kein Geld beim Rucksack-Kauf zu sparen, aber wie ihr selbst lesen werdet, reicht auch schon eine Tasche für 30 Tacken, der dann zwar das Wichtigste an Polsterung, Stützen und Stauraum fehlen, dafür aber so viel lieblichen Charakter an sich hält, dass man ihm für alle Mangel gar nicht mehr böse sein könnte. Man geht im Reisen tatsächlich eine emotionale Bindung mit den Dingen ein die einen begleiten - vor allem eben dem Rucksack. Wenn dieser leidet, kann es einem selbst nicht gut gehen und wenn dem so ist, dann verbringt man gerne die Zeit damit den Gefährten des Rückens zu verarzten und sich gegenseitig heile zu flicken.

Klitzekleiner Einschub aus dem Jetzt - neun Tage später. Martin kichert im Schlaf und ist somit, ob wach oder schlafend, der süßeste Weggefährte den man sich wünschen könnte. Ihr lernt ihn in drei Tagen kennen…

So kam es also dass meine liebe Mama und ich den Abend mit Taschenreperatur und und künstlerischer Auslebung gestalteten. Schließlich hab ich meine wundervolle Leinenhose im Gepäck, aber auch diese ist bald nichts weiter als ein einziger zerfetzter Stoffrest, welcher mit Edding beschriftet und mit Tüchern behangen wäre. Wir hatten jetzt das grüne Rissan-Klebeband, das am Beinende sein Unwesen trieb, mit einem Stoff den ich in Kanada kaufte, ausgetauscht und das Resultat verzauberte. Nähen war bis dato eine völlig fremde Beschäftigung für mich, aber erfreute und inspirierte im Nu, als ich zu bemerken schien, welche Welt des Erschaffens hinter der Arbeit mit Stoff ruhen könnte. Ich packte also das nötigste Material ein und achtete auf die maximale Packlast von 10kg. 10kg ist das Gewicht eines leeren großen Rucksacks mit ein paar Kleidungsstücken und anderem Nützlichen. Ich habe also meinen großen Rucksack und einen kleineren Rucksack innerhalb des Großen, um den Inhalt trennen zu können. Das eigentliche Gewicht kommt allerdings durch Nahrung und Wasser. Mein Brot kam natürlich auch mit und ehe man sich versah war ich auch schon total fertig. Im Kopf und mit der Tasche. Essensreserven, Werkzeug, extra Rucksack und vieles mehr; eine bessere Übersicht über wie man packt und was in welche Tasche gehört, wird bestimmt mal an anderer Stelle erwähnt. Wissen tue ich davon reichlich wenig, aber selbst mein kleines, durch Schädeldecken in alle Richtungen begrenztes Hirn, lernt über die Zeit -  und Schmerz ist oft der beste Lehrer. Man braucht allerdings keine Anleitung seine Tasche zu packen. Es zählt: umso weniger, umso besser und das Ding mit der Erinnerung und wo alles zu finden wäre, das klärt die Zeit für einen. 

Und dann war es auch schon soweit. Zwar würde ich drei Tage vor Martin in Alicante ankommen, aber auch das schien in Anbetracht des Urlaubs kein Minus zu sein. Früh morgens ging es dann also los zum Münchner Flughafen und meine liebste Mutter bot an mich zu fahren. Es würde eine Weile dauern bis wir uns wieder sehen und es würde an einem eher ungewöhnlichen Ort passieren. Am Flughafen sprang ich dann überfordert, so wie es sich gehört, von Schalter zu Schalter und bequatsche jeden Passanten, der nicht niet- und nagelfest war, um ein bisschen Bespaßung und Content für mich selbst zu kreieren. So kam es, dass ich mich neben einem Multi-Millionären wieder fand, welcher grade nach Hause in die Karibik reiste. Mit einer außergewöhnlichen Lebensgeschichte und drei großen Erfindungen in der Photo-Industrie bis hin zu Scanmodellen für die Robotik der Autoproduktion, konnte er meine Aufmerksamkeit bis zum ersten Abflug bündeln und in Madrid angekommen, verhalf er mir noch den richtigen Weg zu finden. Was für eine liebliche Erscheinung - der liebe Gerd… Danach lernte ich die 20-jährige Filipa kennen. Da sie aus Norwegen kam, hatten wir den einen oder anderen Verbindungspunkt und als ich mich zu ihr an den Tisch am Terminal setzte, erzählte sie mir vom Studentenleben hier in Madrid und ihrem Wunsch viel lieber in Australien zu studieren. Ein schönes Luxusproblem von einer noch schöneren, netten Norwegerin. Ich konnte ihr von meiner Reise durch Norwegen berichten und von dem Leben bei einer vermögenden Person, welche in der Nachbarstrße des königlichen Palasts in Oslo lebte und meinem Treffen mit den buddhistischen Mönchen auf dem Pulpit Rock in den Preikestolen. Die Tore des Gates öffneten sich und als wäre eine junge und intelligente Dame nicht genug, so ist mein Sitznachbar für den Flug die Zweite. Die liebliche Ana ist Spanierin mit hervorragendem Englisch, 27 Jahre des weltlichen Seins und ausgerüstet mit einem Master in Medizin-Design (nicht der offizielle Titel, aber das was meinen Erinnerungen am besten entspricht). Sie weist mich ein in Projekte an denen sie arbeitet, an Modellen welche als Implantate in die Schädeldecke gesetzt werden, um Menschen mit Hörnervschäden wieder dem Hören fähig zu machen. Ich bin von unserer Medizin und ihrem Fortschritt in diesem Gebiet geplättet und lausche aufmerksam für den verlängerten Flug, den uns das Universum erlaubte zu teilen. In Alicante durften wir wegen Unwetter nicht landen und so wurde es eine extra Tour durch Valencia zum tanken, um dann mit geringer Verspätung (2h+) anzukommen. Meine zuckersüße Ana erklärt mir ein paar spanische Worte und wir wünschen uns Lebewohl und ein Wiedersehen. Sie hat ein Abendessen mit anderen Doktoren in der Nähe und präsentiert das Projekt eines Designs an dem sie zur Zeit arbeitet. Ihr Part ist es den anwesenden Doktoren, welche das Implantat einsetzen werden, Fragen zu beantworten und die Funktionsweise nähe zu bringen.

Mein Gepäck wieder zu finden war ein absolutes Highlight. Unrechtmäßig wurde es beim Einchecken als Kofferstück aufgenommen, weil der Platz in der Maschine anscheinend ungenügend war. Gekostet hat mich das nichts außer meine Nerven und somit war ich reichlich happy, als ich wieder vereint mit allem Hab und Gut in den Bus steigen konnte und eine Weile darauf am schönen Postiguet Strand in Alicante ankam. Beinahe leer lag der Touristenspot vor mir und mit etwas Mühe schleppte ich mich und Gepäck nun für ein paar Stunden durch die Straßen, auf der Suche nach zuckerfreiem Essen. Die Woche zuvor hatte ich schließlich gefastet und das Fasten nach sechs Tagen mit dem Vorsatz gebrochen, ab nun keinen zugegebenen Industriezucker mehr zu verzehren, weil dieser Mist eine Chemikalie ist und wir dadurch mehr oder weniger vergiftet werden... Mir scheint das Timing eines solchen Vorhabens reichlich doof, aber man wird schon durch kommen. Oder eben nicht. Im Notfall fastet man halt wieder, bis man essen findet. Heute finde ich auf jeden Fall noch einen Obstladen und räume ihn aus, um mich bewaffnet mit Gemüsen aller Farbe und Formen auf einer Bank zu platzieren und meine erste spanische Mahlzeit einzunehmen. Inzwischen ist es abends und ich beobachte die Einheimischen, die alleine oder mit ihrem Hund an mir vorbei schlendern. Ich fühle mich wie in Norwegen ein bisschen verloren und einsam, aber schaffe es die Stille und Ruhe für mich zu genießen und interessiert für mein Umfeld zu bleiben. Mein erstes Unternehmen führt mich vom Zentrum der Stadt über einen Pfad an die Rückseite der großen Burg auf dem Hügel aus gelben Stein. Ich kämpfe mich für eine Weile durch Unkraut, Kakteen und Sträucher aller Art und habe das unfassbare Glück über den Hügel zu kommen und die Aussicht über die gesamte Landschaft zu genießen, als die Sonne grade untergeht. Keines Wegs ein normaler Sonnenuntergang, sondern ein intensives Scheinen der Strahlen durch eine Wolke. Die Landschaft ist voll mit Wolken und es nieselt ein wenig, aber die Sonne taucht alles in ihr schimmerndes Licht und das Gesamtbild ist die Stadt Alicante, ihr Umland bestehend aus große Bergen und dem Meer. Ein wenig nass stehe ich also auf dem Hügel und schaue verliebt in die wunderschöne Aussicht. Danach gehe ich den Berg hinunter und laufe in Richtung der hinteren Hälfte der Stadt. 

Die erste Nacht werde ich in einem kleinen Hostel in der Innenstadt verbringen. Danach habe ich einen Freund bei dem ich schlafen kann, den ich über die Platform Couchsurfing kontaktiert hatte. Eine App auf der Menschen in der ganzen Welt ihr Bett oder Sofa für Reisende anbieten, um kulturellen Austausch bei sich zuhause zu erleben. Diese Person, mein Jose, hat allerdings erst morgen Zeit und so verbringe ich den Abend in jenem ersten Hostel. 

Im Gemeinschaftsraum lernt man noch die mutige Xenia aus Argentinien kennen, welche seit drei Tagen ohne irgendeine Hilfe versucht, sich ein Leben hier in Alicante aufzubauen. Eine gruselige Vorstellung, so weit entfernt von Zuhause in einer Stadt zu sein und nun zu versuchen, ein richtiges Leben zu starten, zu arbeiten, zu wohnen und zu überleben. Für die Anfangszeit lebt sie hier im Hostel. Ein für mich schockierender Einblick in wie es sein könnte, wenn man nicht so privilegiert ist wie die Meisten mir bisher bekannten Menschlein, aber ich bin optimistisch irgendwann in ihrer Situation zu sitzen. Der Traum von finanzieller Unabhängigkeit durch das Schreiben in Blogs und die Präsenz im Medium des Sozialen bleibt auch weiterhin bestehend. 

Und so finde ich mich nach einem ersten schönen Tag voller streunenden Katzen und Sandsteinrelikten auf Bergen in meinem Bett, bereit die Kontrolle abzugeben. Meine vier Zimmerkumpanen sind begeisterte Fußball-Fans, aber verhalten sich sympathisch und ich finde meinen Schlaf, dankbar für eine Matratze unter mir statt meinem sonst so vertrauten Zimmerboden. 

Die Empfehlung des Tages: ein Buch welches ich im Flughafen zu lesen began mit dem Namen ‘The Anxious Generation’.

The Anxious Generation

How the Great Rewiring of Childhood Is Causing an Epidemic of Mental Illness

Die erste wild wachsende Frucht, die ich auf der Reise zu mir nahm, kommt vom ‘Prickly Pear Cactus’ und hat viele kleine feine Nadeln eingebettet in Kissen unter der Haut. Dementsprechend lag es an meiner Zunge statt den Augen, das herauszufinden. Die winzigen Stacheln werden noch drei Tage an Fingerkuppe und Zunge verweilen. Die Frucht färbt unfassbar rot, hat Kerne und eine zähe Haut. 2/10 aber laut Google absolut essbar. Man merkt, dass Technik noch keine Geschmacksknospen besitzt. Meine Finger waren völlig rot und jede hier lebende Person wird auf den ersten Blick erkennen können, dass ich ein Idiot bin. Ich denke das ist ok. 

16.05.2025, Die Castello de Santa Barbara und Jose’s Zuhause - Der traumhafte Strand San Juan und Fischer an Sandsteinküsten beim Sonnenuntergang

Obwohl die Stadt nicht nur durch die Schönheit ihrer Strandlandschaft, sondern auch mit ihrer umliegenden Bergenwelt heraus sticht, kann man trotz allem den Hügel in der Nähe des Zentrums nicht übersehen, welcher die Sandsteinmassive aus vergangener Zeit auf sich trägt. Eine massive Burg in perfekter Aussichtsposition, mit einer riesigen steinernen Treppe, welche hinauf zu führen scheint. Da diese Treppe allerdings trügerisch ist, verbringe ich den Morgen nach meiner ersten Hostelnacht damit, einen richtigen Weg zu finden und treffe auf tanzende Menschen im Schatten der Palmen und Olivenbäume, auf eine kleine Zahl Touristen und auf jene Spanier, welche diese interessante Stadt beleben. Als der Weg hinauf bekämpft ist, finde ich mich im Schatten eines Klangsaales wieder mit ein paar sehr schönen Ausstellungsstücken, wie zum Beispiel einer scheinbar uralten Gitarre, welche einen komplexen, zweilagigen Metallstern in der Öffnung zum Klangkörper trägt.  Ein Banjo und frühe Arten von Hafen mit einer Mischung aus Klavier. So liegt eine Holzbox vor mir und sie hat eine Vielzahl von Drähten zwischen verschiedenen Abständen von Nägeln gespannt. Die Kälte die von den Steinwänden ausgestrahlt wird, zieht mich noch eine Weile in ihren Bann, dann trete ich in den ersten Vorhof in die sengende Sonne und finde mir einen Baum der Schatten spendet und sitze auf der Steinmauer aus blassgelben Sandstein in Würfel geschnitten. Der Baum trägt eine Frucht, welche uns im Verlauf der Reise noch oft genug nähren wird, genannt wird sie Nispero. Klein, orange und sehr saftig mit mehrteiligem, glatten und hölzernem Kern, hängt sie in einer Höhe auf der andere Touristen dem sich Recken müde werden. Mit einem Sprung, der durch Beachvolleyball seine qualifizierte Höhe besitzt, bekomm ich trotzdem noch eine und genieße für eine Weile die Früchte meiner Arbeit. Ich beklettere die Burg und finde mich an der Spitze von wo aus der Blick über Alicante und Umfeld nicht besser hätte sein können. In der Ferne meine ich den Berg Aitana sehen zu können. In der Nähe möchten Metallstatuen von Rittern über die Zeit der Belagerer berichten und rufen Vorstellungen hervor, durch Kampfpositionen der Schwertkämpfer oder Wachposten mit Armbrust, die Aussicht halten und Touristen mit kritischen Augen beäugen. 

Nach dieser schönen Sehenswürdigkeit geht es für mich 7 Kilometer weiter nördlich zu meinem Platz für die Nacht. Ein Bus wäre zu einfach und so laufe ich und sehe riesige Häuserblocks vorbeiziehen, welche den 300 Tausend Einwohnern Raum zum Leben bieten. Ich passiere die Strände und ihre Palmen, noch reichlich mehr kleine Märkte und bei einem fülle ich Obst und Gemüse auf und gönne mir meinen neuen Liebling - eingelegte Kichererbsen. In keiner Welt kann ich mir erklären, wie ich diesen himmlischen Snack noch nie zuvor entdeckte. Und dieses Wasser dazu erstmal... wooow! Eine halbe Überdosis später wanke ich glücklich und gefüllt in Richtung nächtlichen Schlafplatzes. Ich hatte auf einer Bank im Schatten eines Parks gesessen, meine armen Beinchen ausgeruht und eine rohe Paprika zusammen mit den Kichererbsen gegessen oder inhaliert. Eine Weile später erreiche ich den ersten fantastischen Charakter dieser Geschichte. Eine pure Inspiration und ein großes Beispiel in seinem Handeln. Der gute Mann heißt Jose. Jose ist wie schon erwähnt auch Teil der Couchsurfing Community, die Online-Platform durch die mir auf so mancher Reise eine Bleibe für die Nacht durch freundliche, lokale Menschen gewährt wird. Genau dasselbe verschaffte mir damals in Oslo ein Wochenende in der Nachbarstrasse des Royal Palace, wo ich mit einem der reichsten mir bis dahin bekannten Menschen blieb, über Gott und die Welt philosophierte, meine zwei jährige Alkoholabstinenz in den Wind fegte und Unglaubliches über unsere Welt und die Welt der Geopolitik erfuhr, Programmieren als etwas ganz neues verstand und lernte, dass Geld doch glücklich machen kann. Augen öffnend in jeder Hinsicht. Allerdings noch nichts im Verhältnis mit den buddhistischen Mönchen mit denen ich zwei Wochen später hauste und mein Leben teilte. Das allerdings nicht über Couchsurfing, sondern durch die unerklärbaren Wendungen unserer aller Leben. 

Jose lebt in einem der riesigen Häuserblocks 7 Kilometer nord-östlich von der Innenstadt. Sein Wohnblock besitzt wie die meisten Blocks eine schöne große Poolanlage, welche von den Bewohnern noch für mindestens einen Monat gemieden wird, da es für Spanier mit den momentanen 28 Grad einfach noch zu frisch ist. Er wohnt selbst im sechsten Stock, hat einen Fabel für afrikanische Kultur und im Folgenden bekommt ihr eine kleine Erklärung seiner Wohnsituation. 

Eine eher schäbige kleine Küche gefüllt mit Orangen und selbst gemachten Kefir. Eine Toilette mit angelaufenem Spiegel, der nicht austauschbar ist, da dieser in die blaue Fliesenwand eingelassen wurde. Gardinen aus Holzperlen und exotischer Schmuck aus Ghana, Burkina Faso, der Südsahara und Indien, größtenteils Masken, aber auch wunderschön geschnitzte Gehstöcke und Musikinstrumente. Auf einem alten Holzschrank steht das Bild von seinem Adoptivsohn, der inzwischen in den USA lebt. Jose adoptierte ihn vor 30 Jahren, als er im Rahmen eines Freiwilligendienstes dessen Familie im Flüchtlingslager in der Südsahara kennen lernte. Er hatte mehrere Kinder über die Sommermonate bei sich. Das ist ein Projekt, welches angeboten wurde und wird, um mehr Sicherheit für jene Menschen zu gewähren und inzwischen lebt er mit einem jungen Mann, welcher seit acht Jahren die Wohnung mit ihm teilt, ebenfalls aus der Südsahara. Seinen Namen weiß ich nicht mehr, aber er ist im Filmgeschäft Alicante’s tätig und arbeitet als Model und Schauspieler und als ich ihn später kennen lerne, wusste ich wieso. Leider spricht er kein Wort Englisch, aber wir schauen irgendwann mal zusammen ‘The Simpsons’ und dafür brauch man kein Englisch. Jose selbst arbeitet als studierter Sozialarbeiter für die LGBTQ-Community und verwaltet und organisiert jegliche Projekte im Rahmen des Denkbaren hier in der Region. Er ist ein ausgezeichneter Masseur und am morgigen Tag werde ich auch heraus finden, warum. Für den Abend gehe ich allerdings noch spazieren und folge dem Küstenverlauf vom berühmten und schneeweißen San Juan Strand, um die Sandsteinküste bis zurück an sein Haus. Ich komme an Anglern und Hunden vorbei, beobachte Surfer und jene mit Foils, esse Orangen und Pfirsiche die ich zuvor noch gekauft hatte und genieße die warme Sonne und den Fakt ohne riesigen Rucksack unterwegs sein zu können. Zurück in Jose’s Wohnung wird mir das Hinterzimmer mit Blick auf die Stadt angeboten, ein eigenes Bett und Schreibtisch und reichlich Platz, welchen ich nicht brauche. In diesem geborgenen Umstand meine ich besser als jemals zuvor geschlafen zu haben. Matratzen sind wirklich fabelhaft, aber nun mal umso besser und aktiver zu genießen, wenn sie nicht auf Dauer genutzt sind. 

Fun fact: das Sprechen ohne Sprachkenntnisse ist eine Sache des Möglichen. Man braucht nur das heimische Wort für die Sprache die man selbst spricht und der Rest wird einem beigebracht. Zum Beispiel kommt man bei Obst nicht drum herum die Namen der Dinge zu erfahren, die man sich da einsteckt. Dafür haben Spanier vermutlich zu viel Spaß an ihrer eigenen, wunderschönen Sprache, als dass sie sich verklemmen könnten, kleine private Vokabellektionen zu erteilen. Merken kann ich mir leider nichts, aber ich nicke und lächle wie ich es in der Schule gelernt habe zu tun, wenn ich etwas nicht verstehe. 
Die soziale Kompetenz, die ich mir so erbittert erkämpfen musste., damit ich im März durch Norwegen stolpern durfte, habe ich zu zum jetzigen Standort noch nicht wieder entdeckt. Ein entscheidender Punkt ist der Fakt, dass Spanier verhältnismäßig weniger Englisch sprechen und mich die Sprachbarriere dementsprechend mehr abschreckt. Die Fähigkeit auf jede Person zuzugehen und ein Gespräch zu starten, ist gold wert, aber da ich nicht darauf angewiesen bin, anders als in Norwegen, mache ich mir dementsprechend auf kein Druck und beschränke mich zufrieden auf Kommunikation mit Händen, Füßen und Mimiken; das klappt ähnlich gut, nur bin ich nicht mehr so eloquent wie zuvor... ein Hoch auf Sprachen!

Ihr seid noch nicht satt und Spucke läuft euch über die Lippen, wenn ihr 'mehr Worte' hört? Dann tut euch einen Gefallen und nehmt eine Auszeit... das klingt echt nicht gesund. Sobald es euch wieder besser geht, könnt ihr weiter lesen wie schön oder auch nicht der Rest von Alicante ist und ob Martin und ich uns jemals treffen. Falls es so kommt, dann doch hoffentlich nicht in einer Weltraumkapsel, oder?!
Zwischen Promis und Doktoren, haut rein und bleibt gesund!