Eine Stadt mit Ei - Valencia

26.05.2025 - Das Fischaugengebäude und die Legende des Huhns - Unsere liebste Femke - Martin und ich in einer Michelin-Küche innerhalb eines 5 Sterne Hotels um Paella zu testen; Dress-Code -> Homeless-Style
Valencia in an Eggshell ist Folgendes: ziemlich hübsch, eine tolle Kombination aus Altstadt, Costa Blanka und unglaublicher Stadtkultur mit schönen Parks. Wir erleben vieles davon und bewundern feinste futuristische Baukunst - die Oper und Kunstgalerie zum Beispiel, in einer riesigen weißen Blase mit den verrücktesten Formen und Wendungen innerhalb der Architektur. Genauso schön wie die Stadt ist es aber auch, als wir unsere erste Begegnung mit einer anderen Backpackerin haben... Von weither sehe ich eine rote Hosen und einen großen Rucksack und kann mir das ungehaltene Rufen über 50 Meter nicht verkneifen. Trotz Kopfhörer nimmt sie meine Stimme wahr und wild winkend versuche ich zu gestikulieren, dass wir zu ihr kommen möchten. Sie winkt und deutet auf eine Treppe 50 Meter weiter links, die zu ihr führt. Martin und ich nehmen die Beine in die Hand in Erregung unser erstes richtiges Gespräch mit einer Person die auch backpackt, zu haben und stehen dann schließlich vor ihr; völlig außer Atem aber mit nicht zu übertreffenden, breiten, grinsenden Mündern. Die vor uns stehende Person, die sich in Folge unseres Aufschlagens vorstellt, heißt Femke. Femke ist nicht nur super süß, sondern auch niederländisch und grade im Gap-year bevor sie sich an ihren Master in Linguistik heran wagt. Sie erzählt uns den Camino Santiago del Compostella oder so ähnlich gelaufen zu sein und nun eine studierende Freundin in Valencia zu besuchen. Sie ist vor circa einer Stunde hier angekommen und wir laden sie ein mit uns gemeinsam zum Strand zu laufen, der circa eine Stunde entfernt ist, da sie meint grade nichts besseres zu tun zu haben und eh die Stadt erkunden wollte. Wir lernen Femke besser kennen und sie uns auch. Begeisterung trifft es wohl ganz gut. Mein Kumpane und ich scheinen lustig genug zu sein, um sie bei Laune zu halten und so kommt es, dass sie nicht flieht, sondern bis zum Strand an unserer Seite bleibt.
Es ergibt sich aus unseren Gesprächen folgendes neues Wissen: einer Legende nach, wurde die Gegend um Valencia herum von einem Paar aus himmelshohen Riesen bewohnt. Sie erschufen Flächen, Berge und den See. Sie besaßen außerdem einen Bauernhof mit nur einem Tier. Einem Huhn namens Margarete. Dieses legte nie ein Ei, bis zu dem Tag als ihre Besitzer sie zurückließen. Als ihr bei dem Nachbeben der gigantischen Schritte langsam dämmerte, was ihr bevor stand, begann sie den Prozess des Brütens. Dieser soll anscheinend mehrere Jahrtausende überdauert haben und als sie ihr Werk verbrachte, verschwand auch sie. Die liebe Margarete. Das Ei soll noch heute in Valencia liegen und es wird gemunkelt, dass wenn es aufbricht und sein Inneres enthüllt, ein neues Wesen der Riesen existiert... die Bewohner der Gegend halten ihren Abstand, denn nicht selten ertönen aus dem Inneren des enormen Ovums Töne, die auf die bald erscheinende Gestalt hindeuten. Der Name des Konstruktes ist geprägt von Ehrfurcht, Schrecken und absoluter Verehrung der Einheimischen und heißt auf Spanisch 'Oper'. Markerschütternd, ich weiß.
Neben diesem Exkurs erzählen wir auch von allen Abenteuern und witzeln viel herum. Wir befragen sie, warum niederländisch wie das Englisch eines Betrunkenen klingt oder wie die Idee einer Sprache, die von einem fünf Jährigen ausgebrütet wurde, nach vielen Jahren einsamen Denkens, nachdem er als Kind ein paar Sätze Englisch und Deutsch gehört haben muss und anscheinend ist die Frage so genial, dass selbst eine in diesem Fach studierende Person ins straucheln kommt. Linguistik hilft einem bestimmt oft weiter, aber bestimmt nicht über die Wand aus eiserner Idiotie zweier Fachidioten wie Martin und mir.
Am Strand/Hafen angekommen, treffen wir auf drei junge Männer aus Australien und Neuseeland. Ich hatte sie angesprochen, weil sie so aussahen als würden sie ins Wasser gehen wollen, der Nacktheitszustand ließ darauf schätzen, und da ich mir nichts schöneres nach so vielen Schweißbädern und gelaufenen Kilometern vorstellen konnte, wollte ich unbedingt dabei sein. Noch nie war jemand zügiger in seiner Unterhose, als ich nach der Zusage der Anwesenden und keine 10 Sekunden später gab es einen lauten Klatscher, als ich Kopf voraus in das 3 Meter tiefer liegende Hafenbecken eintauchte. Kein Gedicht der Welt könnte fassen, wie wundervoll dieses Wasser war, wie samt es einem am Köper entlang glitt und wie belebend es sich anfühlte endlich mal nicht im eigenen Schweiß zu baden, sondern wieder im Ozean. Ich genoss es sehr aber musste auch schnell wieder heraus, schließlich waren Martin und ich schon ein bisschen spät dran für ein Abendessen und wir mussten noch 1.5 Stunden ins Stadtinnere rennen. Wir machten ein schönes Selfie und umarmten unsere liebste Femke herzlichst bevor wir dann in absolutem Rekordtempo (ohne zu rennen!) mit eiligsten Schritten in Richtung Abendessen schossen.

Wir kamen zu spät... Aber immerhin waren wir jetzt richtig schön durchgeschwitzt und ekliger denn je. Also genau richtig, um in das wunderschöne Hotel einzutauchen.
Als wir die riesige Drehtür passierten, schlug mir ein Geruch entgegen von einer solchen Süße und Fülle, wie ich noch nie etwas gerochen hatte. Meine sonst kaputten Geruchsknospen gingen nun mit einem Mal auf und brachten mir die Illusion, noch nie zuvor in meinem Leben wirklich gerochen zu haben. Ich musste mich an Martin klammern, um nicht mit einem leichten Seufzer auf den Boden zu sinken, in dem Versuch die Nacht genau hier, in der Eingangshalle zwischen Wänden voll aus exotischen Blumen, zu verbringen. Ein Feuerwerk der Sinnesempfindungen begleiteten uns Schritt für Schritt. Meine Sorgen um den eigenen Geruch verflogen im Nu, denn die Wand aus wunderschönen Blumen, die vor uns aufgebaut war, schien jeden anderen Geruch zu verschlingen. In meiner Wahrnehmung waren Unmengen an Schmetterlingen und Sonnenschein. Martin musterte mich ein wenig besorgt, war aber vermutlich auch zu weit in seiner eigenen Traumwelt, um sich ernsthaft Sorgen machen zu können. Wir wurden von Maurisso, unserem Organisator, Gastgeber, und Martin's Küchenchef begrüßt und in den Fahrstuhl geleitet. Dieser war wunderschön, aber leider genauso klein wie hübsch. Armer Maurisso. Im Sechsten Stock mussten wir dann feststellen, dass nicht das Untergeschoss das Schönste war, sondern eben jenes in dem wir uns nun befanden. Atemberaubend erstreckte sich eine weite Fläche aus höchst verzierten Möbelstücken, polierten Tischen und Spiegeln, großen Fenstern und fein gekleideten Bedienungen vor uns. Kronleuchter, Tischdecken und wunderschön gefärbte Wandfliesen waren alle weit entfernt zu dem, was ich bisher in meiner Zeit hier auf Erden erleben durfte. Wir wurden an einen runden Tisch geleitet und ich fühlte mich wie in dem falschesten Film der Welt, wie ich da mit meinem Poncho, der zerfetzten Leinenhose mit chinesischen Schriftzeichen, den Barfußschuhen und der Orangen Sonnenbrille auf dem Kopf, eingewickelt in eine Bandanna, hinein spazierte. Zumindest auf meine Haltung achtete ich... für ein Foto von den Blicken der anderen Gäste hätte ich jede Menge Geld bezahlt; die Menschen konnten es anscheinend noch weniger fassen als Martin und ich, dass wir es nach sieben Tagen ununterbrochenen Laufens hier her geschafft hatten... rechtzeitig, genau zum Zeitpunkt der Verabredung!! Beinahe unglaublich, wenn man nicht selbst dabei war. Ein junger Mann zu meiner rechten, der gut gekleidet mit seiner Begleiterin da saß und mich verdattert anstarrte, sagte leise, aber laut genug um mich Anteil daran haben zu lassen: 'Well, THIS is an interesting person...!' Geehrt wie ich mich fühlte, verkniff ich mir ein breites Grinsen. Hätte ich keine Hemmungen und wäre das letzte bisschen Scham, welchen ich noch den meinen benennen darf, nicht mehr anwesend, so hätte ich ihm ein Handkuss gegeben und nach seinem Autogram gefragt. Man trifft sich bestimmt irgendwann mal wieder.
Den Namen des Ortes erwähne ich hier nicht. Erstens ist der Laden für Ottos. Zweitens habe ich ihn vergessen. Und drittens... mir fällt kein weiterer Punkt ein, aber ich hab den Namen vergessen und nach fünf Minuten Recherche auf Google aufgegeben. Der Mensch unter euch, der gerne Michelin-Küchen in Valencia besucht, weiß bestimmt welches ich meine, und den sterblichen und normalen Rest von uns, interessiert es vermutlich so viel wie mich der Name nun interessiert. Lo siento!
Maurisso war mit seiner Partnerin da - eine Berlinerin und Künstlerin. Er selbst war und ist immer noch Mexikaner und ein studierter Psychologe, der nun seine wahre Bestimmung im Kochen gefunden hatte und in Berlin den Platz des Kochens in Martin's Restaurant wahr nahm, weil die gesetzten Rahmen ihn dort kochen ließen, was er mochte. Das wunderschöne 'Electric Social' ist der Name des Ortes. Ich war durch Martin mal als Gast vor Ort und wurde auf einen Tag der Aktivitäten eingeladen. Es ist eine Art Spielhalle mit vielen Retro-Automaten, VR-Erlebnis und Videospielen. Pin Ball ist natürlich das witzigste...
Während Martin mit Maurisso's Freundin eintaucht in die Welt der Kunst, lerne ich durch Maurisso eine ganze Menge über die Unterdrückung und die Korruption innerhalb Mexikos und wie Amerika es weiterhin schafft, alles in seiner Hand zu behalten und ein Land gezielt von innen heraus zerstört, unterdrückt und ausbeutet. Genial, wenn man so möchte, aber eben auch geisteskrank, pervers und typisch westliche Welt. Das übliche halt. Man erkennt die Parallele von Amerika und Europa durch ein Leichtes. Die Kolonialisierung dürfte unter ähnlichem Grade Teil der Menschheitsverbrechen sein...
Die Beiden sind zuckerlieb und haben Vieles zu erzählen. Maurisso plädiert, dass ein guter Koch nur entsteht, wenn er genug ausprobiert und beim um-die-Welt-kommen so viel wie möglich probiert und Inspirationen zieht. Die besten Rezepte entstehen durch Zufall und sein Steak schmeckt super, weil es aus einem Stück der Kuh kommt, welches früher als minderwertig und abfallreif gegolten hätte, dann aber von der westlichen Küche unter der richtigen Zubereitung entdeckt wurde und jetzt hat man die Möglichkeit viele goldene Taler für einen Taler gefüllt davon bezahlen. Martin und ich genießen die Unterhaltung, die weißen Sitze, den Duft und den Gedanken an Essen. Zwar wird Paella niemals abends gegessen, aber extra für uns wurde etwas reserviert und frisch zubereitet. Für diesen Move wird jede anwesende Person ohne das kleinste Problem erkennen können, das wir unreflektierte, unbelesene Menschlein von außen sind. Da muss man erstmal drauf kommen, bei unseren Erscheinungen. In Valencia sehen nämlich eigentlich alle aus wie wir... jaja.
Paella ist übrigens ein Gericht, das in einer riesigen flachen Pfanne zubereitet wird, bestehend aus originalem Reis aus Valencia. Das übrigens waren die Wasser getränkten Felder auf dem Weg nach Valencia. Reisfelder. Der Reis wird dann in einer Art Soße, Gravy, gebraten und gekocht. Das Original hat Kaninchenfleisch und Hühnchen in sich und das besondere Gewürz ist Safran. Echter Safran, also ganz schön teuer. Aber damit ist die Liste an zu probierenden Gewürzen jetzt ein wenig geschrumpft. Je nachdem wie gut das Paella ist, hat es entweder echtes Safran an sich oder einen Ersatzstoff. Hier war es eben echtes Safran. Eine Art von Grün war auch noch mit im Topf, ich könnte aber nicht sagen ob es Grümkohl oder Mangold gewesen wäre. Als es uns präsentiert wurde, nahmen Martin und ich unseren ersten gemeinsamen Happen, während Maurisso und Partnerin ihr Steak und einen guten Lachs verspeisten. Ich liebe meine Worte und ich denke vieles beschreiben zu können, aber den Geschmack der einen mit einem Mal und mit solcher Wucht einnahm, liegt außerhalb der Grenzen meiner Fähigkeiten! Wir rutschen lediglich tief in unsere Stühle zurück und konnten vor Entzücken die Augen nicht mehr offen halten. Alle Wahrnehmung wurde vom Geschmack eingenommen und auf einmal schien es als wäre jeder Schmerz, jede unangenehme Nacht, jeder einzelne Schritt und jeder Tag es wert gewesen, nur um im hier und jetzt ein solches Paella probiert zu haben. Wir waren sprachlos. Und wir blieben es bis wir alles genossen hatten. Eine Freude an einem so schönen Ort sitzen zu dürfen, mit so einer netten Gemeinschaft am Tisch und dem vermutlich besten Essen seit Weihnachten in Kanada. Wir waren vermutlich im falschen Film, aber beschweren konnten wir uns nur schwer... der Mund war schließlich gefüllt.
Das Gericht kostete zwanzig Tacken und war beinahe zu viel für uns beide, aber um das Ganze noch zu toppen, wurden wir auch noch von Maurisso eingeladen. Hilflos wunderten Martin und ich uns, womit wir solche Wunder verdient hätten, bedankten uns brav wie wir es immer taten, wenn Leute Engel zu uns waren und genossen die Minuten der ruhigen Gespräche bis die Rechnung gereicht wurde. Danach gingen wir noch aufs wunderschöne Klo, eine nette Ausnahme zur sonstigen blumenverzierten Wildnis, und als wir wieder vereint mit den Rucksäcken waren, erwachten wir auch langsam wieder in der Realität. Es war nach 11 Uhr und wir waren im Zentrum Valencias mit noch keiner Schlafmöglichkeit. Wir hatten uns etwas großartiges ausgedacht: wir würden uns eine Gurke kaufen und ich würde sie auf einem gefüllten Marktplatz balancieren, während Martin in perfektem Spanisch schreiend Passanten nach einer Bleibe für die Nacht fragen würde. Der Plan war perfekt, nur hatte kein Gemüseladen mehr auf uns so nahmen wir doch einen Bus und fahren aus der Stadt hinaus. Beim warten auf den Bus aßen wir das bisher einzig wirklich ungesunde auf der Reise. Eine Tafel billigster Schokolade, die seit langer Zeit in meinem Rucksack vor sich hingeschmolzen war seit ich sie in Gandia gekauft hatte und die wir uns aufbehalten hatten, bis wir in Valencia angekommen wären. Und so genossen wir je zwei kleine Stücke, bevor uns bewusst wurde wie eklig das war. Wir packten sie zurück und warteten glückselig auf den Bus und die Rettung vor der großen Stadt. Als wir in der Nähe eines Parks raus kamen, liefen wir die Straße entlang, in der auch die Polizeistation gelegen war und machten uns eine Stätte für die Nacht in einem Feld mit hohem Grass. Martin im Zelt, ich um was neues zu versuchen, auf der Matte mitten im Gras. Zum Glück hatte ich keine große Angst vor Insekten, aber hätte ich von der Größe der Spinne gewusst, die mich morgen früh beim erwachen anlächeln würde, wäre ich vermutlich doch zu Martin in die erstickende Enge des Zeltes gekrochen. Geschlafen haben wir beide ausgezeichnet. Ab jetzt schienen die Tage nur noch besser zu werden.
27.05.2025, Valencia's Zentrum - Unsere Schokolade mit Erdnussbutter - Der Markt und eine Galerie - Endlich Beach Volleyball am Strand mit Sonnenuntergang - Die Fähre nach Ibiza
Ahhhh! Spinne!!! Aber eine Süße... mit schönem silbernen Fell and freundlichen Augen. Sie überquerte grade als Begrüßung für den Morgen die Oberseite meiner grauen, 'warmen' Kuscheldecke und lächelte mir beim Vorbeigehen nett zu. Sie krabbelte aufs Zelt und gab mir die Möglichkeit mich auf die ewig vielen Schnecken, die sich ebenfalls auf der Decke stationiert hatten, zu widmen. Da Martin noch im Zelt war und nicht den Anschein machte gleich aufzuspringen und wild drauf los zu packen, um endlich weiter zu kommen, entspannte ich mich mit ein paar Dehnübungen, die einen angenehm in den gewünschten Wachheitszustand für den Tag bringen. Feierlich putze ich meine Zähne und genauso meine immer staubbedeckte und leicht feuchte Tasche, die wie ich im Tau des Morgens zum Leben kam.
Hinter dem Zaun der an die Wiese angrenzte, wohnten ein paar Hühner und ich freue mich solch nette Gefährten durch die Nacht bei mir gehabt zu haben. Martin und ich haben beide eine Historie mit Hühnern. Er besitzt im Moment welche und meine Familie hatte bei uns im Garten auch für viele Jahre sechs süße Hühnchen. In Kanada hatte ich oft das Vergnügen den Wohnwagen voll mit Hühnern auf unserer Wiese in der Nähe meines dortigen Zuhauses zu betreuen und seitdem bin ich zutiefst verliebt in die gefederten Wesen. Zwar muss ich ausnahmslos an Dinosaurier denken, wenn ich den kleinen Tierchen beim Umherschauen zugucke, oder ihre Füße begutachte. Krallen sehen einfach total cool aus; schuppige Beine schon weniger, aber das Gesamtpaket hat Wirkung. Die Art wie sie sich umschauen ist aber wirklich die von ihren ewig alten Ahnen. Gut, dass sie inzwischen in einer Größe existieren, mit der ich auch als einzelne Person klar komme.
Mit Martin ebenfalls erwacht, packen wir also zusammen und gingen los. Mal wieder unwissend wo wir als nächstes landen würden, aber zumindest wussten wir wo wir heute schlafen würden... hoffentlich. Auf unserer Fähre nach Ibiza. Fein!
Wir grüßten das Polizeipräsidium und nahmen in der Nähe an einem Wasserzugang Platz der von hohen Steinmauern umgeben war und weit hinten um eine Kurve ging und vermutlich ein Kanal darstellte. Wunderschöne Bäume mit violetten Blüten säumten die Umgebung und in der Ferne beobachteten wir zwei Menschen, die sich im Seilspringen versuchten und mit ihren braun und weiß gefleckten Hunden im Wasser spielten. Martin und ich frühstückten ein herrliches Frühstück aus den ‘üblichen’ Zutaten, die trotz dessen immer wieder in der Lage waren, neue Dinge zu erschaffen und dabei noch genießbar zu bleiben. Das Wort 'genießbar' könnte überspitzt gewesen sein. Aber für mich persönlich lebten wir so einen kleinen minimalistischen Traum. Was könnte man sonst noch brauchen? Sorgen und Verantwortungen? Eine feste Anstellung oder ein Dach über dem Kopf? Freunde und Freude an der Sache? Mir schien es als würde uns grade gar nichts fehlen... wir hatten uns, unser schönes Zelt, eine nette Gegend und genügend Plan, um morgens auf die Beine zu kommen und loszulaufen. Life is good... kann es so bleiben oder haben alle Eltern recht wenn sie einen drängen, was 'Vernünftiges' zu machen?
Anschliessend brachen wir auf um noch ein bisschen von Valencia erleben zu können und wir zielten das Zentrum und den dort vorhandenen Markt an. Als wir dort ankamen setzten wir uns auf runde Bänke und betrachteten unsere Reise als vollbracht. Wir sind bis in das Zentrum Valencias vorgedrungen und das in acht Tagen. Durch eine App auf dem Handy konnten wir herausfinden 279 Kilometer gemeinsam gelaufen zu sein. Bei mir kamen noch 56 km durch die zwei Tage zuvor dazu. Sehr glücklich über einen solchen Erfolg aßen wir die Schokolade und bestrichen jene mit Erdnussbutter. Pervers, ja wissen wir.
Anschliessend tauchten wir ein in das gigantische Ausmaß des zentralen Marktes ein, der innerhalb eines alten Gebäudes mit schönen Kuppeln und vielen hohen weißen Wänden so vor sich hin existiert. Noch nie hatte ich einen solchen Markt in einer solchen Dimension gesehen. Ich war schließlich noch nicht in vielen großen Städten unterwegs, und trotzdem... Nichts das man sich ausdenken könnte, fehlte. Von jeder Sorte von Stand gab es unzählige und man sah Dinge, die man zuvor nie dachte sehen zu müssen. Zum Beispiel ein toter pelzloser Hase. Oder Süßigkeiten in Farben und Formen, die selten Sinn ergaben. Mir fällt nun hinterher auf, dass ich zum Zeitpunkt des da seins viel mehr aufschreiben hätte sollen. Es fällt so schwer das ganze Angebot wieder in den Kopf zu bekommen und die Wörter fehlen mir an allen Enden. Beim nächsten Mal werde ich anders an so eine Situation heran gehen. Dieses Mal habt ihr Glück und das Sortiment wird mit Schweigen bedacht. Die Plusseite ist, dass unser antrainierte Konsumkomplex dann nicht so kickt. Gern geschehen.
Abgeschreckt von den Preisen weichen wir dem Gedränge bald wieder und finden uns stattdessen in einer benachbarten Galerie alter Schwarz-Weiß-Bilder wieder, die eine Familie und Jäger, aber auch Doktoren und tanzende Frauen wieder gibt. Martin und ich sind völlig allein in der Ausstellung und genießen die Ruhe um uns auf den Boden zu legen und die Bilder so anzugucken. Martin erfindet mit seinem kreativen Geist Geschichten über einen verzweifelten Arzt der aus Frust ein Kind bekommt um Dinge zu beweisen und zeigt mir das dazu passende Bild. Dargestellt ist ein Kleinkind an einer Art Gestell befestigt. Zwei Schnüre halten eine Art Hose und in der Hose sitzt das kleine Kind mit den Armen nach oben gestreckt um sich festzuhalten. Um das Kind herum stehen sechs in Mänteln gekleidete Herren und machen Notizen. Highlight!
Bereichert durch so viel Kunst und Möchte-Gern Kultur des Marktes gehen Martin und ich weiter durch die Stadt und finden uns vor der Kathedrale sitzend wieder. Martin ist auf der beinahe verzweifelten Suche nach einer authentischen Postkarte und definiert jene nur sehr wage. Wir versuchen unseren Kopf irgendwie so auszurichten, dass man kein Urteil über das krass kommerzielle und touristische fällt. Wenn man Freude an den immer gleichen Souvenirläden und Restaurants hätte, ginge es einem doch ebenfalls besser. Am Ende unserer kleinen Stadtreise sind wir wieder am Strand. Diesmal nicht am Hafen, sondern am richtigen und wunderschönen Strand, mit dem Namen Playa de la Malvarrossa. Ich sehe Menschen die Beach Volleyball spielen und weiß sofort, dass dieser Abend gefüllt ist. Wir eilen in die Richtung des Feldes und hätten komischer nicht aussehen können. Die riesigen Rucksäcke und die Kleidung, die das ganze nicht weniger verwirrend gestalteten, vor allem Martins Cowboy Hut, mussten einen eigenartigen Eindruck machen, aber dennoch waren die acht anwesenden Studenten sehr aufgeschlossen und freundlich. Wir setzten uns und schauten zu, um artig zu klatschen und Aufmerksamkeit zu bekunden, mit dem Wissen später einbezogen zu werden. Ich schwärme Martin von der Sportart zu und bin überrascht, als er erwähnt auch schon das ein oder andere Mal gespielt zu haben. Eine junge Dame aus Italien kommt auch noch hinzu und nach 10 Minuten stehen wir alle auf dem Feld und haben eine höchst spannende einstündige Partie. Es wird viel gelacht und wir lernen das Wort das bei der Angabe gerufen wird, damit jeder weiß, dass es los geht: Bola! Neben unserem Feld findet eine ebenso spannende Partie höchst professionellem Frisbee-Werfens statt. Ich bin fasziniert über die Genauigkeit mit der geworfen wird und die Geschwindigkeit, die jedes Mitglied auf dem Sand zustande bringt. Ich hab so etwas noch nie gesehen und hoffe in der Zukunft nochmals darauf zu treffen.
Auf einem Platz in der Nähe hat sich eine Menschenmenge aus über 100 Personen gesammelt und laute Musik wird spielt, als all jene anfangen sich im Kreis zu bewegen, zu tanzen und sich zu erwärmen, bevor sie gesammelt einen Dauerlauf entlang des Strandes starten. Ich, als Kleinstadtmensch, bin völlig geschockt, von was alles möglich ist, wenn Leute nur mal Lust haben, zusammen Dinge zu erleben. Unglaublich! Auch der Fakt, dass in Valencia so viele junge Menschen sind, ist ein völlig ungewohnter für mich. Vielleicht verpasse ich wirklich was dadurch, dass ich nicht studiere. Aber umso mehr freue ich mich dann, wenn ich es vielleicht doch irgendwann tue. Soziales wäre doch schön...
Als unser Match zu Ende war, reden wir noch eine ganze Weile mit den Anwesenden. Manche studieren oder arbeiten grade in Valencia, zwei sind grade auf der Durchreise und Katha, die Italienerin, kam grade von Ibiza zurück, das Ziel von Martin und mir, zu welchem wir in einer Stunde eilen müssen, um die Fähre zu erwischen. Sie gibt Martin ein paar gute Tipps, während ich wieder am werkeln bin den Sand aus meinen Füßen zu pulen. Aber zuerst packen wir unsere Sachen, sagen ein freundliches auf Wiedersehen und gehen dann in Richtung des nächsten noch geöffneten Obstladens, um uns für die Überfahrt einzudecken. 40 Minuten später stehen wir am Check in und nur wenige Minuten danach sitzen wir in einer Fährenlounge auf dem Weg nach Ibiza, mit allen möglichen Früchten vor uns auf dem Tisch, Schuhe ausgezogen und Powerbank angesteckt. Alles scheint mal perfekt zu laufen. Wie schön...
Und noch perfekter: Martin wurde beim Security Check aufgehalten und durchsucht, weil in einer seiner unzähligen Hosentaschen noch der goldene kleine Kelch steckte, den ich ihm in Alicante schenkte und aus welchem wir bisher viel selbstgepresste Zitrone getrunken haben und unsere Eisproben von Gelaterias bekamen. Ein super Trick. Mein Lachen, als ich das PIEP des Rahmens hörte, war herzhaft und so sprang ich voll Freude um ihn herum und hatte meinen Spaß an seiner Situation, angespornt von der Vorfreude, welche mich jetzt, da wir auf der Fähre ankommen würden, an ihrem Höhepunkt angelangt war.
Was wohl alles passieren wird? Gibt es Geheimnisse, die gelüftet werden können? Was genau ist Ibiza eigentlich? Und wie viel verpassen jene, die dort nur im Hotel chillen und sich auf den Parties abschießen? Ist die Insel vielleicht mehr? Werden wir berühmte Menschen treffen und wird einer dieser Menschen vielleicht der legendäre Lay sein?? Schnuppert doch mal in die Inselstory hinein!
