Mit Schall und Rauch durch einsame Nächte

Mit Schall und Rauch durch einsame Nächte

Piles’ Stadtfest in Schall und Rauch - Gandia und Cullera’s Kampf der Nacht um das Ankommen in Valencia

Wer sich erinnert: soeben erhielten wir von der betrunkensten Person einer Bar den geheimen Tipp eines Stadtfestes in der Nähe. Martin und ich konnten nicht anders und stolperten in die Situation, welche in schönem Kennenlernen ausarten und würde uns eine warme Nacht zwischen leeren Flaschen und Aschenbechern verschaffen sollte. Was danach an Laufen folgte, kommt unseren 47 Kilometern nicht nur gleich, sondern übertraf es… Das Besondere an diesem Mal: wir gingen getrennte Wege und das bei Nacht. Nur die Nacht selbst blieb beinahe die Gleiche.

Wie Gandhi schon sagte: ''Ma’ hat man Glück, ma’ hat man Pech, mal hat ma’ Gandhi!''

Es war nach Mitternacht und die Straßen waren nur mit schwachem Licht beschienen. Lustiger Weise sind die Straßenlaternen alle mit Bewegungsmeldern versehen und wurden hell wenn man an ihnen vorbei lief. Wir redeten aufgeregt über was wohl kommen könnte und ich begriff noch nicht um was für eine Art von Feier es sich handeln würde. Wir hatten Feuerwerke aus der Ferne gesehen, aber in meinem Kopf war immer noch das Bild einer kleinen coolen Hausparty, also die Norm die ich bis dato erlebt hatte. In Piles angekommen, dauerte es keine Minute bis wir die abgesperrte Straße entdeckten und von ihr bis zum Marktplatz geführt wurden. Eine kleine Menge aus Menschen stand schon bereit und auf einer großen Bühne richtete sich grade eine Band ein. Als Erinnerung, es ist nach Mitternacht. Unsere sich aufbrausende artete in Kompsierungskomplexen und Übersprungshandlungen aus. Wir setzten uns und beobachteten den Werdegang für eine Weile, aber unsere Finger kribbelten. In unserer Langeweile brachte ich Martin ein bisschen Salsa, Chachacha und Jive bei und katastrophal ist nicht das passende Wort für was draus wurde. Ob es an Martins Trunkenheit oder seiner generellen Koordinierungsschwäche lag, oder vielleicht doch an meiner cholerischen Art des Beibringens, konnte aus der Ferne vermutlich nicht beurteilt werden. Das Erfolgserlebnis welches uns schlussendlich mit gutem Gewissen ermöglichte, dieses wahnsinnig gefährliche Unterfangen einer öffentlichen Tanzaufführung zu unterbinden, war der Fakt, dass weder Arme noch Beine bisher in die Brüche gegangen sind und mit diesem pur positiven Zwischenstand zogen wir uns schließlich wieder von der Tanzfläche, dem Marktplatz selbst, zurück. Hätte Martin einen beim Abgang nicht so wahnsinnig breit angegrinst, wäre einem nach Heulen gewesen. Ich gab Martin ein Stück Brot, damit er was zum Kauen hatte und ich selbst nahm mir eine Minute der Ruhe um auf meine Lebenssituation klar zu kommen.

Die Leute, die mutig genug waren Kontaktaufnahme mit den aliengleichen Erscheinungen in ihrer kleines Heimatstadt zu wagen, waren total nett und interessiert und sprachen mit Martin, wobei er seine Spanischkünste unter Beweis stellen konnte und mächtig glücklich dabei aussah. Habt ihr schon mal die Standart-Kopfbedeckung gesehen, mit der Martin eigentlich jeden Tag unterwegs ist? Ich bin mir unsicher ob ich schon mal ein Bild davon teilte... wartet kurz.

Klettermax namens Martin mit coolem Sonnenhut

Ja, Martin lächelt immer so. Er setzt kein Gesicht zum Foto machen auf, sondern schaut mit dieser undurchdringlichen Freude und dem damit verbundenen Genuss in die Welt. Er ist so schön anzuschauen, man hält es kaum aus🦤 <- jetzt könnte ich behaupten diesen Smiley mit Absicht gesetzt zu haben oder versuchen zu leugnen, dass ich bis grade nicht wusste, dass das möglich ist, aber wir können uns ja einbilden, dass es gewollt war und alle eine Minute unserer Zeit nehmen und über Dodos nachdenken... bitte wer waren diese Wesen? Und wie cool wäre das als Haustier?


Wir wurden angesprochen, zurück zum Thema - für junge Menschen hatten jene wenig Hemmung, waren offen und gingen komplett unbedacht auf einen zu. Ein Attribut für welches sie meine Bewunderung erhalten. Ganz schön cool. Wir wanderten kurz darauf weiter, der Straße entlang und kamen an einen Pub. Kaum hatte man uns bemerkt, wurden wir schon neugierig beäugt und wir fühlten uns wie kleine Marsmännchen. Die Menschen hier hatten anscheinend noch nie Touristen gesehen, oder zumindest noch keine wie uns, und so wurden wir schnell zum Highlight der kleinen Bar, die mit lauter Musik und vielen Menschen und noch mehr Alkohol die Motivation der Stadt verkörperte. Wir werden vom Mob bis an die Theke geschoben und bevor man das Etikett hätte lesen können, wurde schon eine große Schnappsflasche mit grünem Inhalt gehoben und wir wurden dazu gebracht die Münder darunter zu halten, um die wertvolle Flüssigkeit vom Auslaufen zu bewahren. Wir Retter... Ein interessantes Hallo bei dem das Wehren wirklich schwer fallen kann. Nicht zu knapp werden wir abgefüllt und mit kostenlosen Bierbechern zum Teil des Geschehens gemacht. Martin ergattert sich eher unfreiwillig einen Sitz neben dem grün angemalten, höchst professionell wirkenden DJ und scheint sich wohl zu fühlen, als er durch die Aufforderung des absolut nüchternen Musikmanagers dazu aufgefordert wird laut ‘Majonäse’ ins Mikrophon zu brüllen.

Zu gegebener Zeit stolpern wir wieder hinaus und laufen angetrunken zurück zum Marktplatz. Wir wurden ehrlich gesagt ähnlich überzeugt hinaus gedrückt wie wir hinein gezogen wurden, was eine lustige Erfahrung war. Ich hatte mich soeben angefangen wohl zu fühlen mit meinem Rucksack, der das an einer Stelle stehen zur Qual machte und meinem Poncho der mich auf magische Weise beinahe unsichtbar zwischen den restlichen Partygästen machte. Zum Glück hatte ich meine orange schillernde Sonnenbrille vom Beachvolleyball dabei, um mir ein wenig visuelle Deckung zu gewähren.

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Zurück beim Marktplatz sind inzwischen viel mehr Menschen angekommen und die Musik ist auf Hochtouren. Wir tanzen und feiern mit den Menschen und schwer bepackt versuchen wir die Choreo der Tänzer auf der Bühne zu imitieren und finden uns ein wenig später neben zwei Typen ein. Die beiden Männer anfand 30 stellen sich als German und Max vor. Martin befreundet sich in wenigen Sätzen und zu unser beider Überraschung wird uns angeboten bei den beiden für die Nacht unter zu kommen. Natürlich wollten wir sie erst besser kennen lernen und von der Gefahr waren wir uns auch mehr oder weniger bewusst, aber die beiden schienen völlig ok zu sein und so verbrachten wir noch eine Stunde gemeinsam auf dem Platz, lauschten der ewig lauten Musik in der Innenstadt und erfuhren, dass wir grade in die Woche des Stadtfestes von Piles geraten wären. Eine Zeit in der täglich gefeiert wird, Live-Musik bis morgens um sechs spielt und die Menschen mit unglaublich lauten Böllern am nächsten Tag um acht Uhr geweckt werden. Interessant, würde der normale Deutsche, der zum ersten Mal aus seiner Kleinstadt gekrochen kommt, nun behaupten. Die Stimmung war auf jeden Fall ein Knaller und die Menschen tanzten, wie ich noch nie zuvor Menschen tanzen erleben durfte. 

German und Max führen uns zu ihrem Haus, welches genau an der Hauptstraße liegt und zeigen uns was sie grade als ihr Projekt betreiben. Gekauft wurde die Immobilie von der Mutter, da diese aus der Gegend kam und German hatte nun die Aufgabe bekommen es vollständig zu renovieren und holte sich dafür die Hilfe von Max. Die beiden kommen ursprünglich aus Lettland und dem Belarus, aber Germans Englisch grenzt an Perfektion und so haben wir keine Probleme uns auszutauschen. Sie zeigen uns zwei wundervolle Betten im dritten Stock zwischen voll geräumten Tischen und jeder Menge Alkohol und Gras, dann besuchen wir die Terrasse und unterhalten uns kurz, bevor beide wieder zurück zur Feier gehen und uns zum schlafen zurück lassen. Wie unglaublich sympathisch und was für ein spannendes Ende für einen viel zu spannenden Tag. Es ist drei Uhr morgens und zum Glück sind wir nicht einfach die Nacht durchgelaufen. So gefiel mir das Ganze zugegebenermaßen auch besser. 

Alkohol ist übrigens ein Arsch. Der Schlüssel liegt darin, ohne Alkohol feiern zu können und trotzdem die beste Zeit zu haben. Für so was braucht man schließlich keine Substanzen, sondern einen gesunden Kopf, einen gesunden Lifestyle und die Erfahrung wie schön es sein kann, ohne Alkohol die tollste Zeit zu haben, auch wenn alle um einen herum trinken. Beim nächsten Mal schaffen wir beide es auch ohne. Ich fühlte mich auf jeden Fall elend so mit dröhnendem Kopf und keinem klaren Gedanken im Bett zu liegen und auf den Schlaf zu warten. Und trotzdem war der Tag ein wundervoller. Wir realisieren in diesem Zimmer liegend eine Sache zum ersten Mal ganz klar. Unsere Gedanken schweifen um Komfort… der Komfort ist es nicht ein weiches Bett zu haben - auch wenn dieses Attribut ein sehr schönes Extra ist - sondern es geht um die vier soliden Wände die einen vor dem Wind schützen und das unfassbar tolle Dach über einem, das einen trocken hält. Ich weiß nicht wie mir das zuvor nicht so klar gewesen sein kann, aber meine Dankbarkeit beim Einschlafen für diesen Umstand wäre auch ohne Dach bis zur Decke gegangen. Das, was Martin und mich so liebevoll und sachte in den besten Schlaf seit langem wog, waren nicht die Matratzen, sondern das Gefühl von Sicherheit. Eine absolute Unbesorgtheit.
Schlaft schön!

24.05.2025 Frühstück für unsere Hosts - Eine zweite Lage Schuhsohlen - Der Ringkampf und eine Nacht ohne Martin von Gandia bis nach Cullera

Noch im eigenen Zuhause hatte ich mich des Öfteren über mein Schlafpensum gewundert. Unter neun Stunden war kaum eine Zeit zu finden, bei der ich mich nicht madig gefühlt hätte. Zwar schlafe ich zuhause auch auf meinem Boden und ohne Kissen, aber trotzdem hat mich die benötigte Länge vom Schlaf immer gewundert. Bis heute. Heute wurde mir klar, dass all dieser Schlaf eine Art Vorbereitung für das Kommende gewesen sein muss und dass mein Körper damals schon krampfhaft anstrebte, das jetzt entstehende Schlafdefizit wieder gut zu machen. Um drei Uhr sind wir schlafen gegangen, um sechs Uhr morgens gingen die ersten Böller und Knaller los und man dachte in mitten eines Kriegsgebietes aufgewacht zu sein. Trompetenmusik aus der Ferne und der donnernde Hall des Schwarzpulvers, der durch die engen Gassen jagte, machten es kurzzeitig unmöglich zu schlafen und halb wach realisierte ich auch wie dringend ich meine Powerbank noch laden wollte und noch viel wichtiger, wie sehr ich auf die Toilette musste. Unfreiwillig war ich auf die Schnelle völlig erwacht in den Umständen unserer Realität. Ohne Martin zu wecken ging ich in das Badezimmer, meine Socken hatte ich alle bei mir und zusammen hatten wir eine angenehme, kalte Dusche und ich versuchte mit Shampoo den Socken einen kleinen Gefallen zu tun. Ja, ihr habt richtig gelesen, Martin schläft. Nein ich weiß nicht wie, weil die Explosionen vor unserem Fenster an der Hauptstraße waren in ihrem Effekt einer Fliegenklatsche gleich, die deinem Gesicht eine neue Form verleihen möchte. Das Duschen war ein wahrer Akt der Verzweiflung, aber man möchte sich den Geruch nicht ausmalen. Zum Glück gibt es für solche Schaden keine adäquaten Worte, die den zu erlebenden Schmerz korrekt darlegen könnten. Für den Rest des Morgens saß ich auf der Veranda und ließ mich beschiessen von unglaublich warmen Sonnenstrahlen, während ich der neuen Band auf der Bühne des Marktplatzes, die die alte abgelöst haben muss, über die Dächer hinweg belauschte. Ich saß zwischen circa 20 jungen Cannabispflanzen auf einem weißen Plastikstuhl und hatte eine Aussicht auf die Terrassen und Dächer der umliegenden Häuser. Das Grünzeug genoß die Wärme genauso sehr wie ich. Ich verbrachte eine lange Zeit mit Schreiben, allerdings nicht mit dem Bloggen, sondern ein neuer Versuch der Selbstreflektion. Ich schrieb einen Brief an mich selbst aus der Sicht eines Freundes der meine aktuelle Lebenssituation kommentierte. Das ganze half mir besser über den Gesamtverlauf klar zu werden und mich ehrlich für das Kommende zu freuen. Ich mochte die Form des Briefes sehr. Wenn ihr denkt, euch ist das zu privat und möglicherweise unangenehm, dann überspringt das gerne. Es ist auf Englisch geschrieben und ich bin selbst an meiner absoluten Komfortgrenze das zu teilen, aber ich denke es ist ein schönes Format zum Journalieren und vielleicht hilft es dir ja mal in der Zukunft - mit dieser Intention ist es jetzt Teil dieser geschriebenen Reise...
Eine Praxis zur Selbstliebe und der Reflexion.

Um circa acht Uhr kam ein sehr müder German dazu, welcher verzweifelt versuchte seine Zigaretten ausfindig zu machen, aber ohne Erfolg. Der Mann litt echten Schmerz bis ich die Camels unten auf einem Tisch entdeckte und dann saßen wir zusammen draußen und hatten Zeit uns kennen zu lernen. Ich lernte über seinen Werdegang, über die Geschichte des Hauses, über Meinungen über Politik und Wirtschaft, als auch über Geschichten aus den Ländern in denen er war. Da ich erahnen konnte, wie viel Wissen in diesem ehemaligen Tourguide und Projekt-Manager zu stecken schien, investierte ich eine lange Zeit in das Zuhören und so würde es noch bis in den Nachmittag gehen, an dem wir zu viert an die Costa Blanca zum Essen gehen würden. German ist eine unschlagbar interessante Person, aber scheinbar auch noch auf der Suche nach Antworten, die er bisher nicht zu finden vermochte. Wir tauschten zwei kleine Geschichten aus, über unsere Zeuger und ihren medizinischen Gebrauch von Kräutern. So war es in dem Fall seines Vaters das Problem, dass dieser Probleme mit der Prostata hat und deshalb in einer Nacht bis zu sieben mal aufs Klo zum pinkeln rennen müsste. German erzählt mit seinem Vater hier in Spanien geraucht zu haben und wie verblüfft sein Vater am nächsten Morgen aussah, als er ohne Probleme durchschlafen konnte. Für meinen eigenen Vater gibt es zu erzählen, dass dieser chronisch zerstörte Haut an den Händen hat, durch die Arbeit mit Chemikalien als Mechaniker in jungen Jahren und so ein Leben lang rissige, schmerzende und blutende Fingerkuppen und Handflächen bei nur leichten Berührungen besaß. Er hatte in den letzten Jahrzehnten alles ausprobiert - von diversesten Medikamenten und Antibiotika über Methoden mit Urin auf den Händen und nichts konnte wirklich helfen. Als er dann das erste Mal ein Öl mit hohem CBD-Gehalt versuchte, musste er feststellen, das erste Mal nach Jahrzehnten eine gesunde Haut vorzufinden. German und ich müssen beide herzlich darüber lachen, wie furchtbar falsch diese Droge in die Gesellschaft integriert wurde. So wie es jetzt passierte, hat die Bevölkerung lediglich ein weiteres Rauschgift erhalten, um sich abzuschließen, um zu vergessen und zu feiern und um Versuche anzustellen bei denen Gras mit Alkohol gemischt wird und Paranoia und Psychosen noch wesentlich wahrscheinlicher wurden. Schlechter hätte es nicht kommen können, aber es wurde völlig vermasselt, da keine Aufklärung auf großer Ebene betrieben wurde. Es scheint als habe niemand erkannt, dass eine uralte Medizin legalisiert wurde, die durch ihre Inhaltsstoffe Dinge heilen kann, von der die Pharmaindustrie mit ihren Tabletten oft nur träumen könnte. Aber stattdessen ist es nur eine weitere Partydroge und die ältere Generation kann über die ganzen Drogenabhängigen schimpfen, anstatt es für sich selbst zu entdecken und zu merken, dass Rückenschmerzen gar nicht sein müssten, oder das Schlafprobleme mehr oder weniger optional sind, dass ein gesundes Hungergefühl erzeugt werden kann und dass Gebäck und Gerichte mit Cannabis drin eine neue Welt des Aromas eröffnet. Stattdessen hat Deutschland den perfekten westlichen Move gemacht und uns richtig tief ins Klo fassen lassen, seine Jugend um einen Faktor mehr vergiftet und dabei noch selbst Geld durch uns verdient. Na vielen Dank!

Martin erwachte auch zu gegebener Stunde und zusammen halten wir eine kleine Sitzung im Rahmen des Frühstücks ab. German inspiriert mich in Ansätzen über das Geld verdienen mit geschriebenen Worten und ich erfahre ein wenig über die Welt des 'Copy Writings'. Wir fragen ihr was ihn antriebt und was sein Traum ist. Germans größter Wunsch ist es eines Tages nach Jerusalem zu pilgern, aber zuvor möchte er eine Familie gründen.
Wir ergattern durch freundliches Nachfragen die Aufgabe für alle vier Anwesenden das Frühstück zu zaubern und tuen das erfolgreich. Das Resultat ist trotz all seiner Zutaten am Ende noch essbar und es wird sogar als gut anerkannt, obwohl unsere Gastgeber vermutlich einfach noch zu müde für eine 'Standing Ovation' waren. Eine Pfanne voll mit Rührei, Knoblauch, Brotkrümel, Jalapeños, Reis, Milch, eine Scheibe Wurst, Salz und Cayenne-Pfeffer machten die beinahe vollkommende Basis aus. Vielleicht war auch eine Avocado dabei. Bananen hatten sie leider keine...
Meine Philosophie des Kochens wird vielleicht noch an anderer Stelle geteilt, aber so furchtbar wie die Zutaten immer klingen, beschwert über den Geschmack haben sich bisher nur sehr wenige. Meistens nur meine Schwestern. In diesem Fall hat es allen sehr gut geschmeckt. Wir verfallen während dem Essen ins Schwärmen für Norwegen wo ich zu Beginn des Jahres meine erste Backpacking-Tour verbrachte und wo German vor einiger Zeit mit Auto, Freunden und Drohne unterwegs war, und so tauschen wir ein paar schöne Geschichten aus.
German arbeitete eine Weile lang als Reiseführer; eine Arbeit die flexibel an den Ort angepasst werden kann und einem das Reisen um die Welt ermöglicht. So erzählt er von Land zu Land gekommen zu sein, sich in die Geschichte eines Ortes und dessen Strecken, Touren und Sehenswürdigkeiten eingefuchst zu haben und dann Touren gegeben zu haben. Faszinierend! Ehrlich.
Martin und ich packen anschließend und als Max meine Barfußschuhe und das stark benutzte Profil sieht, zögert er keine Sekunde bevor er mir seine alten Nike-Sportschuhe in die Hand drückt. Er scheint dermaßen besorgt und formuliert in seinem Rahmen der Sprache, dass das Fell in meinen Schuhen alle Fähigkeiten des Schuhs zu atmen unterbindet und das unmöglich gesund für meine Füße sein kann... widersprechen konnte ich ihm aus fehlender Gewissheit meiner Seite nicht, also nahm ich die etwas zu kleinen Schuhe dankend entgegen. Begleitet von den beiden gingen wir in Richtung Strand, die immer währende Costa Blanca. German erzählt von seiner Zeit aus Schweden, beschwert sich über die Flüchtlingspolitik und erzählt Dinge über einen Austausch des Gen-Pools. Später lernen wir, dass Schweden ab 2030 das erste Land der Welt sein soll, dass völlig ohne Bargeld agiert. Er erklärt uns ein wenig über das Banksystem und wie selbst Bettler so umsteigen, dass sie ein Handy vorhalten können und Leute um eine Überweisung anbetteln. Von Max lernen wir auch ein paar Dinge und er ist auch ein super süßer Typ, allerdings immer noch betrunken, beziehungsweise wird er langsam wieder betrunken, und sein Englisch lässt nur begrenzten Austausch zu. Dafür dolmetscht German den Rest. Als Tourguide hat er übrigens viele interessante Fakten über die Welt zu erzählen.Durch das Unternehmen seiner Mutter hatte er den Rahmen um Vorträge zu halten. Wir werden auf ein köstliches Eis eingeladen und die Verkäuferin empfiehlt mir ihre Lieblingssorte ‘Weisse Schokolade mit Pistaziensplittern’ und barfuß durch den Sand laufend genießen wir die Geschmacksexplosion. Später finden wir einen Ort zum Mittagessen, ein Kebabladen und ich kaufe mir und Martin einen vegetarischen, den ich später bei leerem Magen verspeisen werde.
Als wir nun anschließend Max und German auf Wiedersehen sagten, lief ich noch eine Weile weiter in den zu kleinen Schuhen von Max, aber wurde dann von dem brillianten Gedanken umgehauen, dass ich doch einfach die Sohlen aus den 'neuen' Schuhen nehmen und als extra Komfort in meine Barfußschuhe legen könnte. Gedacht, getan und so hatte ich nun final die Sorte von Schuh, die mich durch den gesamten Rest meiner Reise bringen würde. Seit der Kündigung meines Chefs und meiner darauf folgenden Entsagung der Arbeitsstelle, steht es in den Sternen, wann dieses Abenteuer it Rucksack zu seinem Ende kommen würde.
Entzückt von der Lösung binde ich Max' Schuhe an meinen Rucksack und laufe weiter mit Martin, bevor ich das Schuhpaar später bei dem Eingang eines Supermarktes abstellen werde, damit jemand anderes etwas davon haben kann. Human, stupide und faul.  

Martin und ich laufen und laufen und die weiße Küste möchte nicht weniger weiß werden. Am Nachmittag stoßen wir auf einen Spielplatz und ich verzehre meinen Kebab, während Martin an einer Klimmzugstange hängt und Kunststücke vollführt. Als der Akt des Essens vollendet ist, schließt uns ein wahnsinnig witziger Gedanke durch den Kopf und wir haben eine neue kleine Mission. Eine Grünfläche hier auf dem Spielplatz, schien uns einzuladen auf ihr zu ringen... Jup, wir haben vor, uns gegenseitig anzugreifen, um zu sehen wer schneller am Boden liegt. Wir beide haben kaum Ahnung was das angeht, keiner von uns war jemals in einer Prügelei und ich habe kleine Schwestern, also auch kein guter Umstand zum Training. Martin hat einen Zwillingsbruder. Vielleicht der Grund warum ich ihm chancenlos unterlegen war, genauso wie im Daumen-Catchen, hatte ich auch hier keinen Lichtblick. Vier Runden später haben wir grüne und braune Hosen, Schrammen und kleine rote Flecken auf der Stirn, aber ich schaff es nicht mein Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Wir gratulieren uns und gehen weiter.
Auf unserer Reise hatte ich konstant Lieder, die mir durch den Kopf tanzten und nur sehr selten hatte ich den Aufwand betrieben, mich zurück zu halten und nicht zu singen. Und so füllte auch dieses Mal meine Stimme die Abendluft, als ich ‘Boom Boom Boom’ von K.I.Z vor mir hin sang. Auf meiner Arbeitsstelle habe ich oft Kunden, die riesige Schlager-Fans sind und oft erlaube ich mir den Spaß zu sagen, dass ich Schlager liebe und da eine ganz besondere Band habe, die ihnen bestimmt auch gefallen wird. Jene Kunden gehen dann immer mit der Empfehlung aus dem Laden, doch mal in die Alben von K.I.Z rein zu horchen. Ich weiß zwar nicht wie sich die Band selbst definieren würde, aber was ich bisher gehört habe war absolut Gewalt verherrlichend, frauenfeindlich und böse. Wenige schaffen es in so gekonnten Sätzen und Lyriken so abstrakte Vorstellungen hervorzurufen. Diese linke Band hat aber genauso auch ein paar beinahe schon geniale Gesellschaftskritiken parat und so ist die Zeile aus dem gesungenen Lied ‘Ihr Patrioten seid nur weniger konsequent als diese Hakenkreuz-Idioten. Die gehen halt noch selber ein paar Ausländer töten, anstatt jemand zu bezahlen, um sie vom Schlauchboot zu treten.’ vermutlich mein persönlicher Favorit aus dem Lied. Gebt euch die Musik gerne mal, aber eben auf eigene Gefahr. ‘Familienfeier’ ist ganz nett und ‘Görlitzer Park’ gibt einem einen echten und ungefilterten Einblick in das dreckigste Leben Berlins. Martin fühlt den Song nicht so sehr wie ich und scheint generell ein wenig ruhiger geworden zu sein seit dem Ringen. Er denkt anscheinend über etwas nach, wie so oft. An einem Supermarkt geht er aufs Klo und ich stelle die Schuhe ab, dann kaufe ich noch für mich ein und komme mit einer Gurke als Highlight wieder aus dem Laden. Eine spontane Idee schlägt in meinem Schädel ein und wieder vereint mit Martin erzähle ich ihm davon. Ich habe vor einen Ort auf der Karte zu bestimmen und dann dort für morgen Mittag zu verabreden. Dann wollen wir uns aufteilen und getrennt einen Abend verbringen und schauen, welche Abenteuer wir so erleben können. Die ganze Idee wird sich als furchtbar herausstellen, aber das wussten wir zu diesem Moment ja noch nicht. Wie gehen also los und nach dem ich ein paar Jungs anspreche, was man denn hier in Gandia so machen könnte, habe ich Martin schon aus den Augen verloren. Ich packe ein geheimes Talent meiner Selbst aus und laufe mit der Gurke auf meinem Finger balanciert für mehrere 100 Meter durch die Straßen. Nach circa 14 Jahren Tischtennis Erfahrung scheint es wenig noch einfacheres für mich zu geben und nicht nur ich habe riesen Spaß sondern auch sämtliche Beobachter, die sonst noch auf der Straße unterwegs sind. An der Promenade angekommen, realisiere ich wie groß und touristisch Gandia an einem Samstag ist und setze mich neben einen jungen Straßenkünstler, der grade Elvis Presley und anschließend einen Beatles Song spielt und esse dabei meine Gurke, möglichst leise natürlich. Die Straßen sind gefüllt von Menschen und am breiten Strand spielen viele Leute im Sand, manche spielen Volleyball, die meisten springen im Wasser umher. Andere Straßenkünstler erschaffen riesige schillernde Blasen und die Kinder lieben es und springen den Erscheinungen wie im Traum hinterher. Ich gehe ein wenig durch die Stadt und meditiere in einem Park bevor ich zwei Birnen esse. Dann vollende ich den Weg am Strand entlang bis ich zum Stadtende komme. Ich versichere mich auf der Karte nach dem Weg und muss erschreckt feststellen, dass die verbleibende Distanz 21 Kilometer sind. Es ist zehn Uhr abends und ich bemerke, wie groß das vor mir liegende Problem zu sein scheint. Um 12 Uhr mittags morgen soll ich im Café Velvet in Cullera sein. Für 21 Kilometer denke ich mindestens vier Stunden zu brauchen, allerdings muss ich später feststellen, dass das furchtbar falsch gerechnet war. Mir bleibt insgesamt einfach nicht genug Zeit um eine entspannte Tour daraus zu machen. Ich hatte beinahe gehofft die Strecke mit einem Mal zu laufen um dann in Cullera entspannen und schreiben zu können, aber daraus wird wohl nichts. Trotzdem habe ich weiterhin vor die Strecke mit einem Mal hinter mich zu bringen, auch wenn mir noch nicht klar ist, dass ich dafür an die neun Stunden brauchen werde und erst um fünf Uhr morgens an einem weißen Strand neben drei Palmen zusammen brechen werde, ein ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Also laufe ich los. Eine lange breite Landstraße entlang die gesäumt wird von dieser Art Bambus-Dschungel von welchem ich schon berichtet hatte. Es dauert nicht lange und schon raschelt es laut im Gebüsch direkt auf meiner Höhe. Im schwachen Mondlicht und sonst absoluter Dunkelheit meine ich Augenkontakt mit etwas zu haben, als es durch die vorderste Reihe aus Schilf hindurch bricht, aber mal wieder scheint es nichts bösartiges zu sein, da es sich umdreht und wegrennt. Mit Hummeln im Arsch beschleunige ich meinen Schritt für ein paar hundert Meter und muss mit Begeisterung feststellen einen wundervollen Sternenhimmel für die Nacht gewählt zu haben. Schneller macht mich das auf die Dauer nicht. Als die erste große Landstraße in einem Kreisel endet, geht es danach nur noch auf kleinen unbeleuchteten Straßen weiter, die zwischen den Plantagen der vielen Orangenbäume führen und jede Menge mehr Schilf-Dschungel präsentieren. Ein Warnschild macht mich aufmerksam auf freilaufende Kühe. Auf die hab ich ja gar keine Lust... zum Glück treffe ich keine, aber die Schuldgefühle plagen mich um meinen lieben Martin. Zu wissen, dass er alleine und im dunkeln den selben Weg zurück legen wird, macht mir Angst und ich hoffe stark darauf, dass er stattdessen einfach einen Bus nimmt. Natürlich wird er das nicht, aber die Hoffnung war da! Egal. Um zwei Uhr nachts komme ich an einen Kreisverkehr und bin dem aufgeben unendlich nahe. Ich suche eine kleine versteckte Ecke auf dem Kreisverkehr und breite meine Matte aus. Ich stelle einen Wecker auf zehn Minuten und verlängere meine Pause dann nochmal um 30. Ich weiß nicht woher ich die Kraft genommen hatte, aber tatsächlich stand ich nach dieser Pause wieder auf. Ich konnte zwar kaum aufrecht laufen, dafür sorgten die Blasen an meinen Füßen, aber Schritt für Schritt machte ich mich wieder auf den Weg, der noch nicht ganz bis zur Hälfte geschafft war. Das Nervigste waren die Autos die bis spät in die Nacht aus der Richtung von Gandia an mir vorbeischossen. Da die Straße so eng war und ich so unscheinbar, musste ich jedes Mal stehen bleiben und meine Taschenlampe Richtung Auto deuten, damit jene mich erkennen würden. In jeder anderen Situation hätte ich über die Frage gelacht, was wohl diese Autofahrer von einem obdachloses mitten in der Nacht auf der einsamsten Landstraße halten würden. Ich muss sagen, dass ich beinahe überwacht war, dass wirklich keine einzige Person angehalten hatte und sich erkundigte ob man helfen könnte, aber auf der anderen Seite kann ich es vermutlich auch nachvollziehen. Mein Outfit und die Größe meiner Erscheinung durch den Rucksack wären gruselig genug, aber der wippende, schlurfende Gang kam noch hinzu und ich selbst hätte auch nicht für mich angehalten. Und sowieso fing das laufen auch wirklich an Spaß zu machen. Ab und zu stöhnte ich mein Klagelied, dann wiederholte ich mein Durchhalten-Mantra und wenn dafür keine Puste mehr da war, starrte ich starr und leer auf den immer weiter für mich hin schlitternden Boden. Ich fand mich an einem besonders schlimmen Moment in einer Art der Meditation wieder, die mir ermöglichte mit geschlossenen Augen zu laufen, die Lieder nur minimal wie durch einen Autopiloten so weit geöffnet, dass man den weißen Randstreifen noch erkennen konnte. So konnte ich sehr Energie sparend einige Distanz zurück legen, musste aber aus Angst tatsächlich beim laufen einzuschlafen, bald damit aufhören. 5 Kilometer entfernt von dem Ortseingang, kam ich zu dem Kreisverkehr mit den großen goldenen Lettern ‘Cullera’ und auch hier entschied ich mich ein letztes Mal nieder zu liegen und mir eine Dreiviertelstunde Pause zu gönnen. Ich glaube ich hatte das so oder so getan, auch wenn ich gewusst hätte, wie unfassbar schwierig, schmerzvoll und anstrengend es sein würde, nach dieser Pause noch einmal los zu laufen und weitere fünf Kilometer hinter mich zu bringen. Aber der Schlaf war angenehm. Der Schlaf war toll, die silberne mir immer treue ISO-Matte war weniger angenehm. Aber wenn ich jetzt auch noch anfange mich über die Pausen zu beschweren, dann kann ich mich echt in die Tonne treten. Ich lief also weiter die Straße entlang und sah nun deutlich die Berge Culleras vor mir und die Lichter, die sich geschwungen a den Berghängen hinauf zogen. Freude spürte ich keine, nur zerreißende Erschöpfung und Ärger über die bellenden Hunde die hinter jedem Tor auf einen lauerten. ‘Jeder hat nen Hund, aber keinen zum reden.’ Naja, zumindest atme ich durch die Nase und bin vermutlich gesund. Und da war sie; eine riesige Brücke die über den Fluss hinein in die Stadt führte. Die ersten Menschen die ich antraf, war eine Gruppe aus fünf Polizisten, die an einem Kreisverkehr standen und mich freundlich anschauten. Schnellen Schrittes eilte ich und Richtung Strand und ab diesem Punkt war ich einfach nur noch hirntot. Ich konnte an nichts mehr denken außer liegen und Schlaf, liegen und Schlaf. Und so kam ich an den dunklen Strand, sah die drei wunderschönen Palmen, lief 20 Meter über den furchtbar feinen Strand, legte meine Dinge in die Kuhle, die sich neben der Palme im Sand geformt hatte, hing meine Sachen wie Pullover und Poncho an der knochigen Palmenrinde auf und breitete die ISO-Matte auf ein neues aus. Ich packte meine Cantaloupe aus und schnitt eine Scheibe ab und war beinahe im selben Moment eingeschlafen, als ich jene aufgegessen hatte. Lustige Nummer, das Ganze... Halleluja!

Aua aua aua... aber das Ganze ist noch nicht durch. Ob wir so kurz vorm Ende doch aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen, wird dir gleich beantwortet. Nehm dir vielleicht kurz noch eine Auszeit und mach das Handy eine kurze Weile aus. Schau in die Leere oder geh spazieren. Danach kannst du, wenn du möchtest, 'Ein Lächeln für den Schmerz' lesen. Achte auf dich selbst und deine Gesundheit, bevor du dich um unsere sorgst. Und fang an ein Tagebuch zu führen, ehrlich! Das wär für uns das größte Kompliment. Ohne meine Notizen, gäbe es keine dieser Geschichten. Dein Leben ist auch eine Geschichte und deine Erinnerungen sind dir nach einer Weile genauso Gold wert. Fang jetzt damit an und sei dir über den Dank deines zukünftigen 'Ichs' bewusst.