Peace Upon A Few

Peace Upon A Few

Der Morgen einer baldigen Zukunft beginnt verfrüht und ich nutze die Chance zurück zu schauen. Wir schreiben am 26. September vom 7. September und seinem Geschehen. 

Eines Tages - es muss wohl dieser gewesen sein - hatten die Neuankömmlinge, unter ihnen Loana und ich, das Privileg von unserer verehrten Gruppe aus Freiwilligen vor Ort ins Herz Dar es Salaam's geführt zu werden. Die größte Stadt Tansania’s lag nur eine Stunde von Vikindu, dem Ort unserer Schule, entfernt. Die Küste, welche wir anstrebten, kostete allerdings schon das Doppelte um erreicht zu werden. Die Stadt, welche ihren Status als Hauptstadt eigentlich schon immer seit der Unabhängigkeit verloren hatte, war schon seit Gedenken die großflächigste und hielt die meisten Einwohner. Hier mal ein kleiner Vergleich mit meiner Geburtsstadt, Berlin: die deutsche Hauptstadt hat ihre 891 Quadratkilometer, auf denen inzwischen beinahe 4 Millionen Menschen leben. Die Fläche als auch die Einwohnerzahl Dar es Salaam’s ist beinahe das Doppelte. 1590 Kilometer der Fläche und 8.16 Millionen Menschlein, die sich in diesem Bereich tummeln. Diese Zahlen klingen rein mathematisch selbst für mich schlüssig, sind aber beim ersten Blick nicht mit dem Anblick des Aufbaus der Stadt zu vereinen. (Stand 26.09.2025) In Berlin gibt es großflächige, schön gepflegte Grünflächen. Hier gibt es kleine Bereiche in denen noch nichts gebaut wurde, in denen der Wald aus natürlichen Gewächsen ungewollt das zurück erobert, was ihm so schmerzhaft genommen wurde. Die Natur hat eine so andere Dimension an Kraft und nistet sich überall dort ein, wo auch nur der feinste Hauch von Leben geatmet wird.

Unsere Busfahrt nach Dar wäre schon ein Erlebnis genug gewesen, um es den Aufwand wert zu machen. Busfahrten fühlen sich in der Eingewöhnunsgphase an wie die größten Achterbahnfahrten. Man steht in den kleinsten Bussen mit den meisten Menschen in Kombination, fährt über die gröbsten und verkratertsten Straßen und wüsste kein einziges Wort zum Antwort, sollte man angesprochen werden. Zu unserem Glück haben wir eine Gefährtin im Boot, die durch ihren mehrmonatigen Aufenthalt auf Sansibar bereits eine gewisse Sprachkapazität ihre eigene nennen kann. Ihren Freund lernte sie dort auch kennen und ist nun neben ihrer Beziehung dadurch beschenkt, nach Wegen und richtigen Bussen fragen zu können und uns die Busfahrtkosten auszurichten. Sie übernimmt auch unsere allabendlichen Bestellungen bei Hasan, eine Person mit der sie sich schon dick angefreundet hat. Zwei wundervolle Menschen bei denen es große Freude macht, einer Interaktion beizusitzen und die Gesichter zu beobachten. Herzlich, fällt mir als Wort dafür ein.
Der Ablauf einer Busfahrt sieht folgender Weise aus: Auf der gefüllten Straße schießen neben Hundertschaften aus Mopeds, auch viele Dreiräder vorbei, mit kleinen Überdachungen unter denen sich der Fahrer und die bis zu fünf Passagiere einfinden können. Diese beiden Arten von motorisierten Bewohner der Verkehrswege teilen sich die Landschaft aus Rissen, die hier Straße genannt wird. Wenn ein Bus jene verlässt, um die 15 Zentimeter Höhenunterschied zu überwinden und runter vom Asphalt und auf den Staub des Nebenstreifens zu gelangen (Jener Nebenstreifen auf dem sich dann auch jegliche Geschäfte in kleiner Distanz finden), dann kann man mit etwas Glück einen von ihnen nutzen, um einen bestimmten Verteilerpunkt zu erreichen. Das ist doof beschrieben, aber eigentlich ist es wie jede normale Buslinie… nur der Typ der die Busfahrt anpreist hängt bei der Anfahrt schon aus der geöffneten Tür und verkündet lautstark die angepeilte Richtung. Gäste steigen aus, wenn der Bus zum Teil noch rollt und der Anpreiser - so nennen wir jetzt den Dude, der uns das Ticket verscherbeln möchte - wackelt meist noch in der Gegend rum, um Menschen zu finden und springt durch die Tür, wenn sein gut eingespielter Duo Partner der Fahrer, bereits wieder Fahrt aufnimmt. Die Türen sind alle per Hand zu schließen und machen ein wundervollen Klang bei dem alten Metall in seiner Bahn rutscht, um dann mit einem klappernden Schlag zuzufliegen, verstärkt von leichtem Plexiglas-Klirren. Fliegende Starts; und das ist nur das äußere Erscheinungsbild eines Busses und seiner Fahrt. 

Diese Minibusse, in ihrer Überzahl von Toyota, die in keiner mir davor bekannten Welt einen TÜV bekommen hätten, sind meistens bunt geschmückt, bemalt, besprayt oder in ihrem Ursprung schon unglaublich divers farblich dekoriert. Oft sind berühmte Personen auf der Außenseite angebracht - von Rappern oder John Cena bis zu riesigen Schriftzügen, teils chinesisch, englisch oder arabisch, teils weiß und abblätternd oder auch nicht selten: unser Lord and Savior Jesus Christ Bildich auf einer Metallfront verewigt. Viel Fußball, seine Spieler und diverse Vereine, vor allem jene der LaLiga, und kleine Werbungen, allerdings nie etwas Aktuelles (Produktwerbung ist hier eh extrem selten - es gibt einen berühmten tansanischen Spruch, der besagt:

Something good will sell itself, something bad advertises itself.

...eher private Werbung für einen Instagram Account oder dergleichen. Das alles lässt sich hervorragend von innen im Verkehr beobachten. Die Busse lassen ihre Linie auf der sie tätig sind, durch eine zweifarbigen Streifen außen mittig um den ganzen Bus herum erkennen. Die Sicht von innen heraus ist meist klar oder höchstens milchig - dafür sorgen die schiebbaren Plexiglasscheiben. Manchmal sitzt man aber auch in monströsen Staubwolken, die von der Straße kommen und muss nur hoffen, dass alle Scheibensitzer früh genug geschalten haben und das Schiebefenster einrasten ließen. Meistens sind die Fenster immer aufgeschoben und der erfrischende Wind lässt die Haare der Passanten, wenn mal jemand längere als ein paar Millimeter hat, vor sich hin wiegen. Ich erinnere mich spontan an keinen männlichen Haarinhaber, der auch nur im Ansatz eine längere Haarpracht getragen hätte. Vielleicht ein oder zwei Rastamänner, die zwar deutlich auffallen, aber doch sehr verhalten in ihrer Zahl sind. Was die bessere Hälfte der Menschheit betrifft, sind jene mit unglaubliche Flechtfrisuren geschmückt. Entweder präsentieren Frauen ihr echtes Haar, was dann die Option hat in alle Richtungen gleichmäßig in einem Afro vom Kopf abzustehen, oder ganz eng an die Kopfhaut geflochten zu sein, was vermutlich weniger schmerzhaft aussieht, als es in Wirklichkeit ist. Muster von Karos über geschwungene Linien oder Mandala gleichen Kunstwerken finden sich auf der Kopfhaut wieder. Viele tragen aber auch eingeflochtene Extensions, also lange, schon verwobene Strähnen aus schwarzem Haar, die dann in ihrer Gänze schön zusammen gefügt werden, um entweder Schnecken auf dem Kopf oder andere wilde Konstrukte oder simple lange Haare ergeben. Manchmal sind bunte Perlenringe auf eine dicke Haarsträhne geschoben oder und ein paar wenige lassen sich ihr Haar anscheinend auch glatt föhnen, oder tragen eine Perücke. Ein ungewohnter Umstand, dass sich eine Person so modifizieren kann und in diesem Ausmaß über das äußere Erscheinungsbild bestimmt. Würden Damen des Busses Weiße vor und nach ihrer Schönheitsoperation sehen, würden sie vermutlich das gleiche behaupten.

Um zurück zum Bus selbst zu kommen: Wer das Pech hat nicht mehr auf einen der ungefähr dreißig Sitze zu passen (30 klingt schon verrückt, wenn man die große des Gefährts kennt), darf sich mit der zweischienigen Eisenstange am Dach anfreunden. Wer allerdings nun größer als 1.75 ist, wird seinen Spaß mit der Decke haben, und nicht nur bunt geprügelt von den Stangen werden, sondern auch seine Haltung und jegliche damit verbundene Ansätze in die Tonne kloppen können. Hab ich gesagt es würde keinen Spaß machen? Hoffentlich nicht, denn im gemeinsamen Leiden der beiden ebenfalls zu Großen in meiner Truppe, war es ein herrlich amüsantes Unterfangen bei der im Bus laufenden Musik gemeinsam mit gekrümmten Hals von oben auf die Schultern unserer weiblichen Begleiter zu blicken und den nächsten Hügel oder den nächsten Krater auf der Straße abzuwarten und jenen dann gekonnt durch Kniearbeit abzufedern. Wir hatten ein paar Dinge zu bequatschen und wenn die lange Weile und die schlechte Luft zu viel wurden, weil wir uns gegenseitig alles wegatmeten, dann sangen wir unsere gemeinsamen Seminarlieder oder wippten gekonnt einen Tanz zu den Klängen und so sollte die Fahrt problemlos überstanden werden. Unser vorhin besprochen Anpreiser, welcher beim Halten des Busses abspringt, zwängt sich während der Fahrt durch die nicht mal schulterbreite Gasse zwischen den Sitzen, die allerdings voll von Menschen ist. In einer seiner Hände klimpert ein Stapel aus 500 Schilling Münzen mit denen er einen rasselnden Ton macht, um nicht zu ihm schauende Passagiere auf ihn und seine Bitte auf Bezahlung aufmerksam zu machen. Wir bezahlen für eine Fahrt für sechs Personen circa 3000 T’Schilling (Tansanische Schilling). Wer das umrechnen möchte, kommt auf einen Euro und ein paar Zerfetzte. Eine Aussicht aus den besagten Fenstern, welche beim Halten lautstark von Straßenverkäufern zum Zwecke der Aufmerksamkeitsgewinung bearbeitet werden, lässt einen zu einem gewissen Zeitpunkt auf vier Ebenen der Landschaft blicken. Während sich die Schicht des Sichtbaren, welche einem am nächsten ist, aus dem Verkehr und seinen Teilnehmern zusammensetzt, bestückt das Feld dahinter eine unbebaute Fläche, die durchwuchert wird von dem grünen Meer aus heimischer Pflanzenwelt. In Deutschland wäre hier eine eher unglückliche Wiese. Hier erstreckt sich eine Art kleiner Urwald mit diversem Baumunkraut, welches seine Chance vor der Versieglung durch Asphalt nutze, um ein letztes Mal zu scheinen. Eine kleine Anhöhe verläuft lang gestreckt durch den städtigen Vorwald und verdeckt das ein oder andere darauf folgende Gebäude. Sichtbar bleiben nur die langen Reihen aus hochragenden Hochhäusern, mit ihren immer gleichen Aufbauten, den schwarzen Löchern als Fenster, oder bei unfertigen Dächern lange Holzstöcke die in ihrer Gesamtzahl Bauelemente vorm Einsturz bewahren. Durch jene Bauten schillert das Meer hindurch und füllt so die Lücken zwischen den Häuserblöcken. 

Nun aber zu der Stadt, von der wir bisher schon so wenig mitbekommen hatten… nun ja, wir verbringen einen kurzen Tag dort und das auch nur zum Pizza essen. Wie originell. Als ausländische Touristen hatten wir das Privileg uns den reichen Distrikt leisten zu können. Ein ungewohnter Anblick an großen und zum Teil hübschen Gebäuden, mit vielen Europäern, Asiaten und Arabern, die zwischen ihnen umher wanderten und sich die für sie erbaute Geschäftslandschaft beäugen, prägt diese Gegend. Wir leisten uns einen viel zu teuren Smoothie für umgerechnet 3,30€, der für sechs Personen ausreicht. Es schmeckte nach diversen, nicht differenzierbaren Früchten und einer Menge Zuckerrohr. Der zusätzliche Zucker machte das Ganze zu süß und es war ein Kampf, dieses Getränk zu vernichten. Aber farblich überzeugte die Flüssigkeit. Die Becher waren auch cool.

Bevor wir zum Pizzaverzehr antanzten, schlenderten wir noch durch einen Ort, der eigentlich aus einem sehr flachen, sehr großen Metalldach bestand und viele kleine Geschäfte unter sich mehrte. Von Stoffen und Kleidung, zu Ölgemälden berühmter Anblicke des Landes und ihren Menschen, über Zimmerdekoration und jeder Menge Zubehör, vieles aus Holz und zum Großteil bunt bemalt. Wir treffen auf einen netten Mann, der einst durch seine Band in Berlin zu gegen war und wir haben einen schönen gemeinsamen Moment, im melancholischen Denken an die Großstadt und dieses Gefühl wird noch verstärkt, als er Peter Fox und die Band Seeed ins Spiel brachte. Sein Lächeln war dem meinen in Breite ähnlich und handschüttelnd verabschiedete ich mich. Andere Standbesitzer begrüßten einen ebenfalls nett, aber mit diesem Druck des Verkaufen-Wollens, der viele Besuche solcher Orte für mich unangenehm färbt. Es gibt keine Möglichkeit auf eine menschliche Interaktion, da alles auf den Kauf und Verkauf verschiedener Produkte gepolt ist… nicht spezifisch hier, sondern im Generellen. Gekauft habe ich zu jener Menschen Pech nichts. Wofür ich allerdings Geld ausgab, war meine Hosenreperatur.

Die gute ‘weiße’ Leinenhose, welche mich bis zu diesem Punkt durch den Tag getragen hatte, verziert mit meinen Chinesisch-Vokabeln, die mit Edding an gewählten Punkten der Hose festgehalten wurden und dann mit blau auf der Rückseite und rot auf der Vorderseite umrahmt wurden, und mit Zeichnungen gemacht mit Ölfarbe, Kugelschreiber und Tinte, als auch ein paar Stücken Stoff, dort wo die Hose bereits gerissen war. An Hosentasche, Schritt, Hosenbein und Knie. Heute war der Po dran. Ein riesiger Riss zog sich von der Mitte meiner linken Pobacke bis zur Hälfte meiner Oberschenkelrückseite. Mir war dieser Umstand bewusst und schamlos wie ich komischer Weise inzwischen bin, war es mir auch egal, aber da mich eine Schneiderin so direkt und beinahe mitleidsvoll mit mütterlicher Strenge darauf ansprach, blieb mir keine andere Wahl als ihr zu folgen, ein Stück Stoff auszuwählen und ohne eine geteilte Sprache verständlich zu machen, was mir als Lösung vorschwebt. Die Lösung war keine Gute und somit entscheid sie für mich etwas anderes zu machen. Das Resultat: ein schönes buntes Viereck, welches das Gesamtbild verbessert und den Riss verdeckt. Ein schöner neuer ‘Patch’ auf dem Weg dahin meine gesamte Hose mit jenen zu füllen. In ein oranges Tuch um die Hüfte gehüllt, stand ich auf Wollsocken mit blauen Pilzen drauf, neben ihr und guckte leicht geniert dem Prozess beim entstehen zu. Jetzt konnte ich doppelt froh sein, denn ich konnte mich wieder bekleiden und selbst mit Hose an war ich nun nicht mehr halbnackt.
Nur um folgendes schon mal voraus zu sagen: am Ende soll von dem Weiß der Hose nichts mehr zu sehen sein und Lagen an Stoff überall von dort, wo mich meine Reise hinführte und hinbringen wird, sollen dem ganzen Kunstwerk einer Hose ein wenig Volumen und Mehrschichtigkeit einhauchen. Nach getätigter Tat war ein Ausblick über das Meer das nächste und ohne meinen Finger darauf legen zu können, fiel einem die andere Farbe des Wassers sofort auf. An der Stelle an der wir gesammelt den Blick schweifen lassen, hielt der Wunsch nach Erfrischung und Badegang sich in Grenzen. Trotzdem ein schöner Ausblick auf die Stadt die sich an der Küste bis in die Ewigkeit entlangzuziehen schien und zu den Booten, die regungslos vor sich hin existierten und auf der Blase aus blassem Blau und seinem Strahlen trieben. 

Der platte Teig mit den Gemüseresten drauf hätte unexotischer nicht sein können und die Freude hielt sich dem Essen gegenüber in Grenzen. Zu unserem Glück war unsere Gruppe aus sechs deutschen Freiwilligen eine ganz wundervolle und so schmückten interessante Exkurse, Fragen und Ideen die Runde, während die eine Hälfte Meerblick genoß und die andere Hälfte drei kleinen Tennisfeldern mit Plexiglas-Umrandung beim dahin vegetieren zusah. 

Im Hintergrund spielt zwischen der Bar und dem Pizzaofen das Lied ‘Wondering why’ von den ‘Red Clay Stripes’. Ein Einheimischer gewährt uns den Wunsch ein Bild von uns zu nehmen und wegen seines Englischs plaudert man noch ein wenig weiter.

Langsam entspannt man. Langsam springen die Augen nicht mehr auf alles Ungewohnte an und lassen dem Hirn so ein wenig Ruhe, um alles besser aufzunehmen. Manchmal Stille, machmal schöne Gespräche, und zwischen beiden liegt das allmähliche Bewusstwerden über den Ort an welchen man da getrieben wurde. Über die Zeit, die einem bevor steht, über die Menschen, die nun zum näheren Bekanntenkreis gehören und mit welchen man auf die Dauer noch um einiges näher wachsen wird. Über die Arbeit und den Umstand in dem man leben wird. Trotz aller Ungewissheiten ist die Aufregung positiv. Unsere vier beisitzenden Weißen sind bereits an ihrem Ort für das Jahr angekommen und durften nun über Tage schon verarbeiten, wie es denn in einer Jahresdauer aussehen wird. Loana und ich standen bislang nur dabei und erfreuten uns an den Momenten, mit dem Wissen bald weiter zu müssen. Traurig ist man nicht, denn von unseren Vorfreiwilligen von der Einsatzstelle im Norden hörte man nur das Beste und so zieht einen diese Vorfreude bereits ein wenig in die Ferne; auch Loana. Bei mir kommt das Problem dazu, seit einer langen Zeit nicht mehr für lange Dauer an einem Ort geblieben zu sein. Die letzten Monate vor dem Freiwilligendienst waren mit meiner Rucksackreise zu Fuß von Spanien bis nach Deutschland geschmückt, und wer nach 14 Wochen täglichem Platzwechsel auf einmal wieder festsitzt, hat seine eigene Aufgabe der Bewältigung. Insofern ist es mir ganz Recht diese kommende Hürde noch ein wenig zu verzögern. Bis ich dann beim House of Hope am Victoria See ankomme.

Nach zwei Stunden im abendlichen Chaos eines Verkehrs ist man wieder zuhause. Welch wundervolles Gefühl der Geborgenheit in einer solchen rasanten und unübersichtlichen Welt. Ein netter Ort, den man den seinen nennen darf. Wir gehen anschließend noch zu unserem Stammimbiss bei Hasan, unserem bisherigen Swahili-Lehrer Numero Uno, und genießen Reis, Bohnen, ein frittiertes Gebäck, dunkle Braunfärbung und mit Ähnlichkeit zu einem riesigen Cookie. Die Karten werden auf eine gemeinsame Runde Maumau gezückt und ein schöner Tag neigt sich dem Ende zu. Ein Freund der Gegend, namens Abdul, stößt dazu, gewinnt die meisten Spiele und erzählt in perfektem Englisch auf dem nach Hause Weg von seinem Traum deutsch zu lernen und eines Tages diesem Leben zu entfliehen und in Deutschland zu sein. Er sehnt sich nach Perspektive für seinen schlauen Kopf, der zur Zeit unbezahlt im elterlichen Verkaufsstand aushilft. Man weiß nicht recht was man sagen soll und trotzdem redet man viel mit ihm; dafür ist er zu sympathisch. Er möchte deutsch lernen, wir Swahili. Er schwärmt von seiner geliebten Sprache und spricht uns Mut zu - wir als Deutsche schauen bedrückt zu Boden und haben Probleme in Worte zu fassen, woher all das Mitleid für sein Vorhaben kommt. Unsere Aufgabe sollte es sein ihn zu motivieren, ihm lustige Eigenheiten unserer Muttersprache zu präsentieren, Lieblingswörter auszutauschen und Deutsch als eine schöne Sache rüber zu bringen. Nicht dem Deutsch zu liebe, sondern aus Solidarität und Respekt vor seinem Vorhaben.
Eines Tages sollen wir folgendes lernen: vieles was das Lernen angeht, ist Einstellungssache. Wenn einem permanent berichtet wird, wie viel Spaß es macht Swahili zu lernen und wie einfach die Sprache doch wäre, dann ist der eigene Ansatz ein zuversichtlicher, gelassener und vorfreudiger. Wenn allerdings eine Gruppe Deutsche dir erzählen, wie komisch die Grammatik wäre, wie wenig Regeln Artikel folgen, wie verkrampft und unschön die deutsche Aussprache wäre und wie komplex das Konstrukt als Ganzes, dann könnte man sogar bewirken, dass ein wundervoller Geist wie der des Abdul’s irgendwann aufgibt und seinen Traum fallen lässt. Wie schade wäre das? Ich hoffe er hat sich gut von unseren Sichten erholt und bleibt seinen eigenen Zielen treu.

Der Abend schwingt am Lagerfeuer aus. Neben unserer Palme und zwischen den Gebäuden, in denen viele der Schulkinder schlafen, welche keine Familie in der Nähe haben, sitzen wir und reden bis und nach Bewegung ist. Ich schlage ein Bewegungsspiel vor, das auf Reflexen basiert und Reaktionsgeschwindigkeit beansprucht. Überraschend lang praktizieren wir jenes. Es kam gut an und nun haben sechs kleine Menschlein eine neue Erinnerung. Einer guten Erinnerung folgt eine gute Nacht.

Schlaf schön, liebe lesende Person!